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Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Titel: Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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beachtete sie nicht. Er sah nur wie gebannt auf Nikolaus, der nun langsam und singend seiner Sänfte entstieg …
    »Schönster Herr Jesu, Herrscher der Herren, meiner Seelen Freud’ und Kron’ …«
    Noch einmal erhob sich das Lied aus vielen Tausend Kehlen zum Himmel, aber dann wurde es still.
    Nikolaus ging zum Meer und schwenkte seinen Wanderstab.»Herr, schönster, liebster Herr Jesus! Wir danken dir, dass du uns wohlbehalten bis hierher geführt hast.«
    Dimma schnaubte.
    »Und wir vertrauen fest auf deine Güte. Gewähre uns nun, was du uns versprochen hast! Lass uns trockenen Fußes über das Meer gehen, ins heilige Jerusalem, um es zu befreien von seinen Feinden!«
    Nikolaus hob seinen Stab mit einer großen Geste.
    Das Meer wogte gegen den Strand von Ligurien. Wie vorher und nachher an jedem Tag, den Gott werden ließ.
    »Herr, unser Gott! Hör auf deinen ergebenen Diener! Ich habe die Unschuldigen hierher geführt. Hilf uns nun weiter in deiner unendlichen Liebe!«
    Die Wellen brachen sich flüsternd am Ufer. Es war ein klarer Tag, das Meer lag wie ein Spiegel vor den hoffnungsvollen Kindern.
    Aber es teilte sich nicht.
    Nikolaus setzte die Füße ins Wasser. »Ich werde diesen Kindern den Weg voranschreiten!«
    Er ging so weit, bis das Meer seine Knie umspielte. Dann versuchte er es erneut.
    »Herr! Mein Herr Jesus! Lass das Wasser zurückweichen für deine Kinder!«
    Die Zuschauer wurden langsam unruhig, ein paar Genuesen lachten.
    »Teile dich, Meer!« Nikolaus’ Stimme wurde schrill.
    »Teil dich endlich!« Das war Roland.
    Und dann schrien die Kinder durcheinander, schrien und weinten ihre Wut und Enttäuschung heraus.
    Nikolaus brach am Strand zusammen und schluchzte. Die Mönche formierten sich um ihn, einer begann zu singen. Das schien die Kinder zu beruhigen. Der Ausbruch verstummte so schnell, wie er begonnen hatte. Der größte Teil der Kreuzfahrer hatte einfach nicht mehr die Kraft, aufzubegehren.
    Karl, der wie alle Mitglieder von Armands Heer Ordnungin seiner Gruppe gehalten hatte, ließ die verstörten Kinder zurück und kam zu Armand. Sein Gesicht war leer und unnatürlich blass.
    »Und … was jetzt?«, fragte er.
    Armand konnte seine Frage nicht beantworten.
     
    Tatsächlich geschah nicht mehr sehr viel an diesem sonnigen Septembertag des Jahres 1212. Die Menge am Strand verlief sich – eher still als aufgebracht. Die Kreuzfahrer wanderten in kleinen Gruppen zurück in die Stadt. Sie wirkten wie gelähmt, verstummt und zu Tode erschrocken. Viele weinten leise, klammerten sich aneinander, froren trotz der sommerlichen Wärme. Die Menschen von Genua versorgten sie erneut mit Essen, und Donna Corradine und ihre Freundinnen verteilten heißen Würzwein. Die meisten Kinder nippten nur daran, aber das stark gesüßte Getränk schien sie zu kräftigen.
    Die Heilkundigen im Heer eröffneten ihre Hilfsstationen, Konstanze mit Unterstützung einiger Genueser Matronen. An diesem Tag wurden allerdings weniger Verbände für zerschundene Füße gebraucht als beruhigende Trünke. Donna Corradine setzte auf Wein, Konstanze auf einen Sud aus Johanniskraut. Ein paar Mädchen weinten hysterisch, einige schon an den Vortagen gänzlich entkräftete Kinder und Erwachsene starben.
    »Wo ist denn jetzt dieser Nikolaus?«, fragte Oberto Grimaldi am Abend bei Tisch.
    Seine Gattin, Konstanze, Dimma und Gisela waren zu später Stunde todmüde in seinen Palast zurückgekehrt. Wieder richteten die Grimaldis ein Essen für Malik al-Kamil, und wieder versammelte sich der halbe Stadtrat. Wobei erneut nicht die Handelsbeziehungen zu Ägypten besprochen wurden, sondern ausschließlich Nikolaus’ gescheiterter Kreuzzug.
    »Hat man das Kind wenigstens in Sicherheit gebracht? Es besteht doch Gefahr, dass die anderen ihn umbringen.«
    »Der Bischof hat die Wirtschaftsräume des Doms zur Verfügung gestellt«, gab einer der Stadtväter Auskunft. »Da verschanzen sich die Mönche mit dem Jungen. Das Kind muss sich erst mal beruhigen, es war völlig außer sich, hat erst geweint, dann geschrien … Es ist besser, den Kleinen bekommt vorerst keiner zu Gesicht. Aber morgen wird sich irgendeine Lösung finden müssen. Wir können dieses abgerissene Heer nicht tagelang durchfüttern.«
     
    Nikolaus war bereits zur Ruhe gekommen, als Magdalena und Wolfram zum Rat stießen. Wie viele andere war der Guntheimer zunächst am Strand geblieben, verwirrt und ungläubig wartend, als könnte sich das Meer doch noch teilen. Magdalena

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