Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
könnt es noch ansehen, es liegt dort drüben, aber es ist ganz zerfetzt.«
»Und … hat sie … noch andere Wunden als die im Gesicht?«, erkundigte Konstanze sich vorsichtig.
Sie konnte die Schwestern kaum bitten, die Tote noch einmal zu entkleiden, nachdem sie sich bereits so viel Mühe mit ihr gemacht hatten. Die Nonnen hatten Blumen um den Leichnam aufgestellt, zwei von ihnen beteten laut die Totengebete.
Eine sehr junge Nonne, wohl ebenso an der Medizin interessiert wie Konstanze, nahm das Mädchen beiseite.
»Also … also erschlagen hat man sie nicht«, sagte sie, tief errötend. »Aber … aber man hat … man hat ihr in anderer Hinsicht Gewalt angetan. Sie war keine Jungfrau mehr, Signorina.«
Das war Konstanze nichts Neues. Aber warum betonte die Schwester es so? Magdalena hätte schließlich auch eine Ehefrau sein können.
»Ich meine …«, flüsterte die junge Nonne. »Sie war wohl seit … seit gestern Nacht keine Jungfrau mehr.«
»Aber das zählt nicht vor Gott!«, beeilte sie sich zu versichern, als Konstanze allzu entsetzt schaute. »Vor Gott ist sie unschuldig wie ein Kind, sie hat ja wohl alles getan, ihre Tugend zu verteidigen …« Sie wies auf Magdalenas Verletzungen.»Wenn der Mann sie nicht gezwungen hätte, hätte er sie nicht schlagen müssen.«
»So werdet Ihr sie … in geweihter Erde beisetzen?«, fragte Konstanze leise. Jemand hatte Magdalena Gewalt angetan – auf ungeheuer brutale Weise. Aber die Nonnen konnten kaum glauben, dass der Mann sie anschließend ertränkt hatte. Das Mädchen hatte zweifellos Selbstmord begangen.
Die Schwester nickte und streichelte sanft über Magdalenas zartes Gesicht. »O ja, sicher. Man hat das arme Ding doch wohl von einer Brücke gestoßen, oder es ist gefallen. Man fand es im Hafen, an einem Bootsanleger, der Leichnam hatte sich an einem Pfeiler verfangen. Macht Euch keine Sorgen, es wird gut für sie gesorgt werden. Und ihre Seele ist sicher schon im Himmelreich!«
Konstanze warf einen letzten, liebevollen Blick auf das Mädchen. Wie erwachsen es geworden war in diesen letzten Monaten! Und wie schön es hätte werden können, wenn Gott ihm nur noch ein wenig Zeit gelassen hätte … Konstanze dachte an ihre erste Begegnung: Magdalena an ihrem Feuer, klein und mager wie ein Kätzchen, ängstlich und halb verhungert, verlaust und verdreckt unter Konstanzes Nonnenschleier.
»Wer war sie eigentlich?«, fragte die freundliche Schwester. »Wie hieß sie, und woher kam sie?«
Konstanze atmete tief ein.
»Sie … sie hieß Magdalena«, sagte sie sanft. »Sie kam aus der Gegend um das heilige Köln. Sie war eine Novizin der Benediktinerinnen. Aber als sie von diesem Kreuzzug hörte, wollte sie nichts anderes, als Jerusalem befreien.«
Die Schwester lächelte. »Ich wusste es!«, sagte sie glücklich. »So unschuldig und schön wie sie aussieht! Wir werden für sie beten. Und wir werden sie auf unserem Friedhof bestatten! Sie wird niemals vergessen sein …«
Konstanze ließ den Nonnen den Rest ihres »Reliquiengeldes« da, um Totenmessen für Magdalena lesen zu lassen.Sie würde später mit Gisela, Dimma und den Kindern daran teilnehmen – sicher würden sich auch Armand und vielleicht sogar Donna Scacchi anschließen.
Letztere war untröstlich über Konstanzes Verlust. Sie hätte der jungen Frau die Gunst gewährt, ihren Schützling in einer der Grabstätten ihrer Familie beizusetzen.
»Wir lassen unser Hauspersonal nicht irgendwo verscharren«, erklärte sie würdevoll. »Und Magdalena wäre ja nun Magd bei uns geworden. Aber bei den Benediktinerinnen hat sie es natürlich noch schöner. Es tut mir sehr leid für Euch, Konstanze. Ich weiß, Ihr habt das Mädchen geliebt.«
Gisela trauerte mit ihrer Freundin um Magdalena, aber vor allem war sie voller Wut. Rupert hatte ihr von seiner Begegnung mit Wolfram erzählt, und natürlich hatte sie sich ihren Teil gedacht.
»Es war Wolfram, Konstanze! Wer sonst? Mit ihm ist sie gesehen worden, und er hatte Blut am Hemd. Sie hat doch immer herumgeschwatzt, er würde sie heiraten und mit auf seine Burg nehmen … All das dumme Gerede, ich hab’s nie ernst genommen, es war das Gleiche wie mit Rupert und seiner Ritterwürde im Goldenen Jerusalem. Aber jetzt erzählen die Kinder, Wolfram würde Nikolaus verlassen, um heimzureiten. Wenn er ihr das erzählt hat …«
»Wir können es bloß nicht beweisen«, gab Konstanze müde zurück.
Der Weg nach San Pierino hatte sie angestrengt und ihr den Mut
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