Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
sich noch so sicher gefühlt – und wie sehr sie Maliks Umarmung in Florenz genossen hatte! Aber jetzt, da sie die Scacchis ganz selbstverständlich zum Kirchgang begleitete, da der Papst und die Franziskanermönche fern waren, der Gedanke an den Kreuzzug langsam etwas verblasste und die alten Gebete und Lieder sie vertraut umgarnten, erschien es ihr erneut unwirklich und ketzerisch, die entscheidenden Worte des Übertritts zum Islam zu sprechen. Obendrein war Sizilien natürlich ein christlicher Hof. Würde sie dort als Maliks Gattin auftreten? Wie mochte man sie als abtrünnige Christin empfangen? In Pisa erzählte Konstanze vorerst nichts über ihre geplante Hochzeit. Gisela und Armand waren diplomatisch genug, es nicht zu erwähnen, und wenn Donna Scacchi fragte, blieben ihre Antworten vage.
»Man nimmt an, du würdest dich im Heiligen Land in ein Kloster begeben!«, verriet Gisela. »Auch weil du dich neuerdings immer verschleierst. Nur die Sänfte gibt den Pisanern noch Rätsel auf.«
Im Gegensatz zu Armand, der Konstanze gegenüber frostig blieb, verhielt sich Gisela herzlich. Sie verstand Konstanzes Liebe zu Malik und sah ihren Übertritt zum Islam als notwendiges Opfer. Als Mündel eines Minnehofes betrachtete sie die Liebe als Gottesgeschenk. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Freundin deswegen verdammt würde. Zumindest nicht auf ewig.
»Du hättest doch diese Treppe auf Knien hochsteigen sollen!«, seufzte sie allerdings mit leichter Besorgnis, als sie Konstanze im Koran lesen sah. »Dann bräuchtest du wenigstens zehn Jahre weniger ins Fegefeuer.«
Konstanze lachte darüber, aber ganz wohl war ihr nicht. Zumindest war sie weit entfernt davon, die Abreise nach Messina sehnlichst herbeizuwünschen. Tatsächlich war es Gisela, die bald fortwollte – und das auch nur aus einem vagen, unsicheren Gefühl heraus. Sie hatte es schon in Rom verspürt, aber hier in Pisa verdichtete es sich, obwohl sie die Stadt eigentlich als sicher empfand. Gewiss war Pisa der letzte Ort, an den Rupert so schnell zurückkehren würde, aber die Stadt erinnerte sie doch an die letzte Begegnung mit ihm und die Bedrohung, die von ihm ausging. Sie hatte nicht dem Bürger Armand de Landes gegolten, wohl aber dem Ritter. Gisela wusste, dass die Gefahr mehr als gering war, aber sie hatte doch den Wunsch, möglichst bald ein Meer zwischen Armand und Rupert zu legen. Messina war zweifellos sicherer als die Toskana, aber wenn es nach Gisela gegangen wäre, hätten sie sich gleich am kommenden Tag nach Akkon eingeschifft.
So atmete sie denn auch auf, als endlich ein Schiff nach Sizilien segelte, und nahm tränenreichen Abschied von Floite. Die Maultierstute verblieb in den Ställen der Scacchis, undder Konsul sicherte dem Mädchen zu, persönlich über sie zu wachen. Aber Gisela war doch während der ganzen Seefahrt bedrückt, nachdem sie das letzte Mal ihren charakteristischen Ruf vernommen hatte. Smeralda segelte mit ihrer Herrin in das neue Land. Armand hatte willig zugestimmt. Die edle Ibererin würde eine Zierde seiner Pferdezucht werden – Maultiere dagegen gab es auch in Outremer genug.
»Ohne Smeralda wäre ich auch nicht gegangen!«, behauptete Gisela und blickte fasziniert zurück auf die Arnomündung und die Stadt Pisa, die sich langsam im Abendnebel verlor, während ihr kleiner Segler Kurs aufs Meer hinaus nahm. »Oh, Konstanze, jetzt sind wir wirklich unterwegs! Wir werden nie wieder hierherkommen. Und du … du wirst Malik wiedersehen! Sag, bist du aufgeregt, Konstanze? Du musst aufgeregt sein!«
»Du kannst es dir noch überlegen«, brummte Armand. »Das ist kein Spiel, Konstanze. Wir mögen mit der Politik seines Vertreters auf Erden unglücklich sein, aber deshalb sagen wir uns doch nicht los von Jesus Christus!«
Armand bekreuzigte sich, und Gisela tat es ihm flüchtig nach. Konstanze hatte bereits die Hand gehoben, hielt sich dann aber zurück. Sie war hin- und hergerissen – aber Gisela hatte recht. Es war bestimmt gut, Malik bald wiederzusehen. In seinen Armen würden die Zweifel schwinden.
Messina war eine recht kleine, fast schon arabisch anmutende Stadt, die nicht nur durch ihre Nähe zum italienischen Festland an Bedeutung gewann, sondern auch durch ihr natürliches Hafenbecken. Der Ort war seit Jahrhunderten von Seefahrern verschiedenster Nationen besiedelt: Griechen und Katharer, Araber und Normannen, erst seit gut einhundertfünfzig Jahren war die Stadt endgültig christlich. Immerhin hatten
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