Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
einmal hier sein. Auch ich bin reinen Herzens, hab nie etwas Böses getan in meinem Leben. Der Herr wird mich schon anerkennen. Und ich wollte immer mal sehen, wie sich das Meer teilt. Überhaupt das Meer …«
Dimma wirkte nicht so, als hätte sie ihr Leben lang von einer Wallfahrt nach Jerusalem geträumt, aber sie versuchte zumindest, Begeisterung vorzutäuschen.
»Du willst mit?« Gisela sah die alte Frau verständnislos an.
Dimma nickte. »Ihr werdet mich nicht daran hindern können. Ich hab meiner Herrin versprochen, auf Euch aufzupassen. Da lass ich Euch doch jetzt nicht mit einem Knechtdavonlaufen, wenn es auch in die Heilige Stadt ist! Zwischen uns und der Heiligen Stadt liegen viele Nächte, und du, Junge, hast nicht mal ein Schwert, um es zwischen dich und das Fräulein Gisela zu legen. Also werde ich das Schwert sein.«
»Aber es … wird ein … es wird ein Sieg des Friedens …«, bemerkte Gisela.
Dimma lächelte. »Umso besser. Wir wollen uns alle vertragen. Sattelst du jetzt meine Stute, Junge? Wir müssen langsam aufbrechen, sonst kommen wir heute nicht mehr nach Köln. Und es wäre besser, innerhalb der Stadtmauern zu sein, bevor Euer Vater Euch vermisst, mein Fräulein.«
Kapitel 9
Es war nicht ungewöhnlich, dass der Erzbischof von Mainz die Äbtissin des Klosters Rupertsberg besuchte. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Hildegard, die stets mit den Kirchenfürsten in Zwist lag, hatte die amtierende Ehrwürdige Mutter ein gutes Verhältnis zu Siegfried II. von Eppstein. Der Mainzer Oberhirte hielt gelegentlich Messen für die Nonnen und beriet sich mit der Oberin in Klosterfragen. Er kannte die Benediktinerinnen als lebensklug, sie lebten nicht in so strenger Klausur wie andere Nonnen.
Normalerweise wurden keine rangniederen Schwestern zu den Besprechungen des Erzbischofs und der Äbtissin hinzugezogen. Nur die Küche geriet in Aufregung, denn natürlich sollte dem hohen Herrn das Beste serviert werden, und die Kellermeisterin holte auch den ältesten und edelsten Wein aus dem Vorrat. Umso verwirrter und beunruhigter war Konstanze, als man sie in die Räume der Klostervorsteherin zitierte.
Das Mädchen hatte in der Kirche gebetet – es stand nun kurz vor den letzten Gelübden, und man gestand ihm viel Zeit zur Meditation und zur Zwiesprache mit Gott zu. Konstanze wurde das oft zu viel. Ihre Gedanken schweiften ab zu medizinischen und philosophischen Themen, oder sie wiederholte für sich arabische Gedichte. Sie hatte einen Band davon in der Bibliothek gefunden, Schwester Maria aber nichts davon verraten. Aus gutem Grund, es ging hier schließlich nicht um Wissenschaft oder Glauben. Stattdessen priesen die Dichter die Schönheit ihrer Frauen und schwärmten von der Liebe.
Konstanze fragte sich nun, ob man das Buch vielleicht beiihr gefunden hatte. Zwar konnte niemand außer Maria es lesen, aber schon das Vorhandensein heidnischer Schriften im Dormitorium der Nonnen zog Fragen und Strafen nach sich.
Konstanzes Befürchtungen intensivierten sich, als sie auf dem Weg zu den Räumen der Äbtissin mit Schwester Maria zusammenstieß. Zweifellos würde man sie bitten, dem Inhalt des Werkes auf den Grund zu gehen. Und dann war Konstanze ernstlich in Schwierigkeiten.
Schwester Maria lächelte ihr jedoch freundlich zu, als sie das Mädchen erkannte. Ihre Sehkraft ließ langsam nach, und die Korridore waren dunkel. Von Nahem sah die Nonne ihrem Schützling aber immer noch an, wenn etwas nicht stimmte.
»Machst du dir Sorgen?«, fragte sie. »Das brauchst du nicht. Erstens sind all deine Geheimnisse bei mir sicher, und zweitens geht es hier wohl um ein medizinisches Problem. Der Erzbischof bittet uns um Hilfe. Nach dem, was die Kellermeisterin aufgeschnappt hat, als sie den Wein kredenzte, lagern in Mainz ein paar Tausend irregeleitete Kinder, und ein Teil davon ist krank!«
»Ein paar … Tausend?«, vergewisserte sich Konstanze. »Wo um Himmels willen kommen die her?«
»Das hat sie nicht verstanden. Aber wir werden es ja gleich erfahren. Wenn wir die Kinder verarzten sollen, muss man uns schon sagen, was da vorgeht.«
Schwester Maria betätigte den Türklopfer, langsam und vorsichtig. Konstanze hielt sich hinter ihr. Sie wunderte sich, als die Oberin gleich darauf antwortete und die beiden hereinrief.
Gemessenen Schrittes folgte Konstanze ihrer Lehrerin und küsste nach ihr demütig den Bischofsring, den der Kirchenfürst den Schwestern entgegenstreckte. Er schien allerdings nicht sehr
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