Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
heißt du denn eigentlich?«, fragte Konstanze.
Und Magdalena begann schluchzend zu erzählen.Gisela hatte das Intermezzo mit dem flüchtenden kleinen Mädchen verfolgt und dabei Mut gefasst, sich der wartenden Reihe Kinder anzuschließen. Die Schwester schien freundlich zu sein und wurde auch mit unerwarteten Situationen fertig. Sicher würde sie Gisela nicht davonjagen. Das Mädchen lächelte ihr also zu, als sie endlich an der Reihe war, und stellte ihr ihre letzten Patienten dieses Tages vor: ein Pferd und ein Maultier.
»Schaut, Schwester, meine Stute hat sich am Kronrand verletzt«, sagte Gisela und wies auf eine Wunde oberhalb des Hufes. »Es schwillt ein bisschen an, und ich mache mir Sorgen. Schließlich muss sie den ganzen Tag laufen, wenn es morgen weitergeht.«
Konstanze schenkte dem zierlichen blonden Mädchen im Pilgergewand einen verwunderten und eher ungnädigen Blick.
»Ich behandele eigentlich keine Tiere«, bemerkte sie.
Gisela zuckte die Schultern. »Sie heißt Smeralda. Stellt Euch einfach vor, sie sei ein Mensch. Vielleicht habt Ihr etwas Calendulasalbe oder Ähnliches.«
Konstanze lächelte. »Wenn sie ein Mensch wäre, würde ich eine Kompresse mit möglichst altem Rotwein anlegen und sie die Nacht über einwirken lassen. Das reinigt die Wunde. Die Salbe trüge ich erst morgen auf.«
Gisela nickte eifrig. »Das werde ich tun, Ehrwürdige Schwester, vielen Dank. Und wenn Ihr vielleicht auch noch das Maultier ansehen könntet … ich glaube, es hat einen Hautpilz … Ach ja, es heißt Floite. Falls Ihr Euch also wieder vorstellen müsst, es sei …«
»Ich nehme das Maultier, wie es ist«, erwiderte Konstanze, »und du hörst bitte auf, mich ›Ehrwürdige Schwester‹ zu nennen. Ich bin keine Nonne.«
»Aber …« Gisela warf einen verwirrten Blick auf den Schleier, unter dem sich Magdalena inzwischen am Feuer zusammengerollt hatte. Das Mädchen schien zu schlafen,aber vielleicht versuchte es auch nur, sich unsichtbar zu machen.
Konstanze zuckte die Schultern. »Ich habe mir die Freiheit genommen, den Schleier zu verschenken«, erklärte sie kurz.
Gisela lächelte. Dann zog sie Floite vor. »Wie soll ich dich dann nennen?«, erkundigte sie sich.
Konstanze stellte sich vor und näherte sich dem riesigen Tier mit Herzklopfen. Sie war einem Pferd selten so nahe gewesen, und erst recht keinem Geschöpf mit so großen Ohren. Die Maultierstute gab immerhin ein beruhigendes Flöten von sich. Und der Junge in Begleitung der blonden Pilgerin äußerte einen Therapievorschlag.
»Man muss draufpinkeln!«, erklärte er.
Konstanze zog die Stirn kraus. »Das ist nicht die schlechteste Methode«, bemerkte sie. »Aber Pilzerkrankungen sind auch eine Frage der allgemeinen Stärke. Einem Menschen würde ich raten, gut zu essen, sich nicht zu überanstrengen und sich nicht zu sehr aufzuregen.«
Der Junge lachte. »Da hörst du’s, Gisela, du musst ihr ein Schlaflied singen, wie den Kindern.«
Das blonde Mädchen zuckte die Schultern. »Wenn das so ist, wird es ihr bald besser gehen. Schon weil sie jetzt bei uns ist.« Es streichelte den gewaltigen Kopf der Stute. »Bei dem Pferdehändler hätte ich auch fast die Krätze gekriegt. Und er soll wirklich … drauf … urinieren?«
Konstanze versicherte ihr, dies sei tatsächlich ein altes Hausmittel, selbst Hildegard von Bingen hatte es gekannt. Sie sagte nicht, dass sie selbst die Methode mit dem Wein bevorzugte. Zwischen dem Mädchen und dem Jungen schien ohnehin eine gewisse Rivalität zu bestehen, sie musste das nicht anheizen. Es war überhaupt ein seltsames Paar – und die alte Frau, die eben möglichst gerecht ein paar Brote unter den Kindern am Feuer verteilte, schien auch dazuzugehören. Konstanze hatte die drei zuvor schon beobachtet, sie scharten in ähnlicher Manier Kinder um sich wie sie selbst,nur dass sie statt medizinischer Versorgung Essen und Trost boten.
Am Rockzipfel der alten Frau hingen zwei kleine Jungen, die beim Raubritterüberfall ihre ältere Schwester verloren hatten. Und das blonde Mädchen hatte mit den Kindern gesungen. Es war zweifellos eine Adlige oder Patriziertochter, aber es schien nicht von sich eingenommen zu sein. Seltsam war auch der Junge in seiner Begleitung. Er wirkte wie ein Reitknecht – auch jetzt nahm er dem Mädchen ganz selbstverständlich die Pferde ab und führte sie an einen der Anbindeplätze an einer Mauer in der Nähe. Aber er gebärdete sich wie ein Gleichgestellter.
Konstanze hatte das
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