Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
wieder an und machte seinen Anhängern Hoffnung, im nächsten Dorf Bauern zu finden, die mehr Erbarmen hatten als die Oppenheimer. Armand war da nicht sehr optimistisch. Und ein großer Teil der Kinder schien seine Ansicht zu teilen. Hunderte junger Kreuzfahrer zogen an diesem Morgen in die andere Richtung – zurück nach Mainz, Remagen, Köln, oder wo immer Nikolaus sie rekrutiert hatte.
Da es auch an diesem Tag regnete und ihnen eine weitere Nacht unter freiem Himmel bevorstand, wurde allen derWeg schwer. Es war eher unwahrscheinlich, dass sie Worms in einem weiteren Tagesmarsch erreichten. Ob sich ihnen die Domstadt öffnete, wagten die meisten zu bezweifeln.
Konstanze hörte viele Klagen, als sie am Abend wieder Kranke an ihrem Feuer versorgte. Es erschienen auch viel mehr Kinder als in den Tagen zuvor, und es waren mehr als kleine Blessuren zu verarzten. Besonders die schwächeren unter den Kreuzfahrern, die sehr alten und sehr jungen Teilnehmer, die Tagelöhner und Bettler klagten über Husten und Gliederschmerzen. Wenig später kamen Durchfälle hinzu – sicher auch dadurch verursacht, dass die hungrigen Wanderer alles in sich hineinstopften, was sie am Wegrand fanden. Sie kochten Suppe aus Kräutern, wobei sie mitunter essbare und ungenießbare verwechselten, oder sie stahlen unreifes Obst von den Bäumen und Reben.
Armand hatte Ruperts Träumerei vom Vortag immerhin auf eine Idee gebracht. Er regte an, im Rhein Fische zu fangen, und Rupert fertigte mit erstaunlichem Geschick Angeln. Armand zeigte sich ausreichend beeindruckt, was das Verhältnis zwischen den beiden Männern wieder etwas verbesserte. Schließlich brieten sie die Fische an Stecken am Feuer. In Dimmas Vorräten fand sich Salz, und sogar Gisela griff letztlich beherzt zu.
In der Nacht regnete es nicht, aber während des ganzen folgenden Tages wechselten sich schwere Regenfälle und Nieselregen miteinander ab. Nikolaus wirkte nicht gerade wie ein Gesandter des Himmels, als er am Nachmittag am Stadttor zu Worms um Einlass bat. Aber vielleicht erweichte ja gerade dies das Herz der Bürger, deren trutzige Stadt den Kreuzzüglern so anheimelnd erschien, dass sich ein Teil der Kinder schon wieder am Ziel in Jerusalem wähnte. Zumindest ihre Hoffnungen auf Nahrung und Obdach wurden nicht enttäuscht. Patrizier und Klerus öffneten die Stadttore für die Kinder, man entzündete Feuer und kochte Eintöpfe in großen Kesseln, um das Heer zu füttern.
Gisela versetzte ein weiteres Schmuckstück im Judenviertel, und Konstanze, die tatsächlich etwas Geld für ihre Kräutermedizin eingenommen hatte, kaufte ein Unterkleid und eine Surkotte, um ihr Ordenskleid dagegen auszutauschen. Außerdem erstand sie warme Umhänge für sich und Magdalena. Das kleine Mädchen brauchte auch Schuhe und Strümpfe. Bisher lief es barfuß wie die meisten jungen Pilger.
»Ohne Schuhe kommst du nicht weit!«, erklärte Konstanze und dankte den Gründern des Benediktinerordens im Stillen dafür, dass sie ihren Mönchen und Nonnen zumindest festes Schuhwerk zur Verfügung stellten.
Magdalenas Einwand, im Heiligen Land sei es doch immer warm und im Sand könne sie ohne Weiteres barfuß gehen, wehrte Konstanze mit einer Handbewegung ab.
»Im Heiligen Land musst du erst mal sein, Lenchen. Und bis dahin dürftest du noch mehr als ein Paar Schuhe durchlaufen!«
Gisela war überrascht, als die Mädchen vom Markt zurückkamen. Sie hatten auch ein Badehaus besucht und strahlten entspannt und sauber wie neugeboren.
»Du bist ja wunderschön!«, erklärte sie Konstanze begeistert. »In dem Rabenkostüm hat man das gar nicht gesehen, aber das blaue Kleid schmeichelt dir. Dein Haar schimmert fast wie Ebenholz – und wie deine Augen leuchten! Ganz sicher wird mich niemand mehr stehlen wollen, wenn du neben mir schläfst! Du wärest zweifellos die erste Wahl!«
Konstanze lächelte, geschmeichelt über das Lob, aber sie hatte sich in einem Kupferspiegel ansehen können, und auch sie war mit ihrem Anblick zufrieden. Ihr neues Kleid war dunkelblau und schlicht, aber im Gegensatz zur Kukulle betonte es ihre schlanke Figur und ihre festen Brüste. Ihr langes Haar trug sie jetzt zu glänzenden, fast hüftlangen Zöpfen geflochten, und ohne Schleier kam ihr schönes, herzförmiges Gesicht voll zur Geltung.
Auch Armand war beeindruckt, als er sie sah, aber ihn entzücktedoch weiterhin Giselas Anblick mehr – trotz der unförmigen Pilgerkleidung. Manchmal träumte er jetzt sogar von dem
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