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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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die Nase und schnuppert daran. Ich ziehe meinen Arm weg und lege meine Hand darum. »Das ist ein Lederband«, sage ich und will mich wieder meiner Kamera zuwenden.
    »Das hattest du vorher noch nicht um.« Linda mustert mich argwöhnisch, als hätte ich etwas verbrochen. Da ist sie wieder, diese aufkeimende Wut in ihren Augen.
    »Das stimmt. Ich hatte das vorher noch nicht um, weil … ich habe das gerade erst gefunden. Im Flur! Lag da einfach so rum, da konnte ich nicht dran vorbei sozusagen …« Mann, was für eine miese Lüge, in jeglicher Hinsicht.
    »Das gehört Milo.« Lindas Stimme klingt ganz hart, das kann ich trotz des Lärms um uns herum hören.
    »Echt? Ach was … glaubst du wirklich? Nee, ich glaube nicht.« Ich halte das Band ins Licht, als bedürfe es einer ausführlichen Inspektion.
    »Ich kann das riechen.« Sie schnappt sich wieder meinen Arm und hält ihn mir vor die Nase. »Los, riech mal!«
    Ich lege unwillig meine Nase auf das Band und sauge Milogeruch ein. Ganz offensichtlich. »Meinst du? Ich rieche nichts.« Ich schüttle den Kopf.
    »Aber ich rieche das ganz genau. Na los, nimm es ab. Ich werde es ihm wiedergeben.«
    Ihr Tonfall gefällt mir überhaupt nicht, und ich möchte das Band anbehalten, aber wenn ich jetzt darauf beharre, wird es nur schrecklich kompliziert werden, mehr als es sowieso schon ist. Also beschließe ich, dass ich keine Szene brauchen kann und keinen Zickenkrieg, wir sind doch gerade dabei uns anzufreunden. Ich knote das Bändchen auf und lege es Linda in die Hand. Sie schnürt es sich sofort um das Handgelenk und grinst zufrieden. Ich fühle mich besiegt und habe Schwierigkeiten, ihr Grinsen zu erwiedern. Überhaupt habe ich keine Lust, mich weiter mit ihr zu unterhalten. Ich werfe noch einen letzten Blick auf das Band. Wie gewonnen, so zerronnen. Ich schnappe mir die Kamera und laufe zur Bühne, lasse Linda einfach stehen.
    Die Jungs geben da oben echt ihr Bestes, völlig verschwitzt, vom Scheinwerferlicht geblendet, spielen sie mit so viel Inbrunst, als hätte es kurz vorher überhaupt keinen Streit gegeben, als wären sie nichts lieber als die Cash Cover Combo. Milo wirft mir einen Blick zu und lächelt. Ich richte meine Kamera auf ihn und zoome sein Gesicht ganz nah ran, schaue vorher noch über die Schulter, ob Linda nicht wieder irgendwo lauert, aber da sind nur ein paar Frauen, die ihre Haare wild in die Luft schmeißen. Meine gute Laune ist nun völlig hinüber, und ich bereue es jetzt doppelt, dass ich Linda einen Platz in meinem Zimmer angeboten habe. Milos Gesicht auf meinem Kameradisplay glänzt, winzige glitzernde Schweißtropfen, die an seinen Schläfen hinablaufen. Er sagt den letzten Song vor der Pause an und zieht seine Mundharmonika aus der Hosentasche. Seine Wangen blähen sich auf, um genug Luft durch das Instrument zu pusten, das sieht lustig aus. Ein ganz anderer Milo.
    Ich kämpfe mich zum Ausgang durch, postiere mich neben der Damentoilette und warte, bis alle zur Pinkelpause stürmen, und vor den Spiegel, um das Make-up aufzubessern. Ich werfe schnell selbst noch einen Blick in den Spiegel, immer noch keine Augenringe, aber dafür verwischtes Mascara, was mir einen dezenten Zombielook verleiht. Ich ziehe ein Taschentuch aus meiner Jeans, halte einen Zipfel unter den warmen Wasserstrahl und wische die Schlieren unter den Augen weg. Von draußen höre ich den tosenden Applaus und schon wird die Toilettentür aufgestoßen und Schweiß, Deos und Parfums vermischen sich im engen Vorraum zu einem einzigen Duftknäul.
    REC .
    Ich nehme die Damen auf, wie sie sich mit ihren Händen Luft zuwedeln und laut lachend vor dem Spiegel stehen bleiben, um die Haare zu ordnen, Deo unter die Achseln zu sprühen und den Lippenstift nachzuziehen. Vor den Toilettenkabinen bildet sich eine lange Schlange.
    »Geht lieber aufs Männerklo, da ist es leer!«, ruft eine im Vorbeigehen.
    Ich frage zwei nach einem Interview, die sich als Iris und Regina vorstellen.
    Sie kichern in die Kamera. »Ist das jetzt fürs Fernsehen?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Nicht?«
    »Es ist eine Dokumentation für die Band«, erkläre ich.
    IRIS: Ach! Na, das ist mal eine hübsche Idee. Also ein e Ansprache für die Band! Wir zwei hier, wir sind große Johnny-Cash-Fans. Wirklich. Wahrscheinlich die größten in ganz Deutschland. (Regina nickt und hält ihren Daumen in die Kamera.) Ich finde sowieso, der Johnny ist der hübscheste Kerl, den ich je kannte. Nicht persönlich natürlich, das

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