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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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dumpfen Elektro-Bässe gehen mir schon durch das Telefon auf die Nerven. Ich könnte niemals an so einem Ort arbeiten.
    »Und ein paar tanzen hier oben ohne. Auch die Frauen. Voll schräg, was es so für verschiedene Brustformen gibt!« Im Hintergrund ruft jemand ungeduldig Majas Namen. »Ja doch, Mann! Ich bin gleich da!«
    »Hey, vielleicht telefonieren wir ein andermal«, schlage ich vor. Ich hätte ihr gerne erzählt, dass ich mit Milo geschlafen habe, aber das ist jetzt nicht der richtige Moment.
    »Okay. Hör mal, wenn du wieder zurück bist, musst du hier unbedingt mal vorbeikommen!«
    »Bestimmt.«
    »Also, hau rein. Ich vermisse dich!«
    »Ich dich auch. Mach’s gut.« Ich lege auf und starre noch eine Weile auf das Handy, dann schließe ich die Augen und höre von unten, dass das zweite Set anfängt. Milo ruft irgendwas ins Mikrofon und kurz darauf dringt der Bass bis hier nach oben. Ich rolle mich auf die Seite und kuschel mich nur für einen Moment in das harte, muffige Kissen.

»HEY, FRIEDA.« MILOS warmer Atem in meinem Ohr überzieht meinen Körper mit Gänsehaut. Er schmiegt sich an meinen Rücken.
    »Wie spät ist es?«, frage ich und reibe mir die Augen.
    »Nach Mitternacht. Komm, lass uns von hier verschwinden.« Er zieht an meinem Arm. Völlig verschlafen rappel ich mich auf, setze mich aufs Bett und gebe meinem Kreislauf die Chance, sich auf die Veränderung einzustellen. »Wo willst du denn hin?«
    »Weg. Wir steigen ins Auto und fahren irgendwohin.« Er streichelt meinen Nacken.
    »Hast du nicht getrunken?«
    »Hast du mich trinken sehen?« Er wirft mich kichernd wieder aufs Bett und küsst mich. Tatsächlich habe ich ihn nicht trinken gesehen, während der ganzen Zeit nicht, nur Cola und Mate.
    »Okay. Dann fahren wir. Aber im Bandbus, ich will auch mal im Bus fahren.«
    »Cool.« Er springt auf und reicht mir seine Hand. »Ich gehe vor und du kommst in fünf Minuten nach. Ich warte ums Eck bei der Sparkasse auf dich.«
    Ich höre noch seine Schritte auf der knarrenden Treppe, dann haste ich ans Waschbecken und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich putze mir schnell die Zähne, dazu kommt man hier nämlich auch nicht regelmäßig, greife mir dann meine Strickjacke von der Sessellehne und verlasse das Zimmer. Unbemerkt schleiche ich durch das Treppenhaus. Ich habe Glück, die Seitentür zur Kneipe ist geschlossen, bleibt nur zu hoffen, dass niemand draußen steht. Die Luft hat sich abgekühlt und der Himmel ist mit Sternen übersät. Ich höre den leise knatternden Motor vom alten VW -Bus und laufe aufgeregt Richtung Sparkasse in die dunkle Seitenstraße.
    Milo beugt sich von der Fahrerseite rüber und öffnet mir die Tür. Ich steige ein und noch bevor ich die Tür schließen kann, reißt Milo das Lenkrad herum und biegt in die Hauptstraße ein.
    Der Bus klappert über das Kopfsteinpflaster, als würde er in den nächsten Sekunden auseinanderbrechen.
    Ich schalte das Radio an und drehe so lange am Regler, bis ich gute Musik finde.
    »Ich dachte, dieses Konzert würde nie zu Ende gehen!« Milo setzt seinen Hut ab und wirft ihn schwungvoll auf die hinteren Sitze. »Was für eine alberne Verkleidung!«
    »Ich hatte den Eindruck, dass ihr Spaß hattet da oben.« Ich streife meine Schuhe ab und setze mich in den Schneidersitz.
    »Tom ist ein Idiot. Für ein paar dämliche Euro ist er bereit, die Band zu verraten. Noch so ein Ding und er ist raus. Oder ich bin raus. Oder die ganze Band ist am Arsch.« Er sagt das ruhig, ohne Wut, es ist eher eine Feststellung.
    »Und wozu mache ich dann diese Dokumentation?« Es war eigentlich gedacht, dass die Doku Werbematerial für die Band sein soll, um sie auf sämtlichen Internetplattformen zu verbreiten und Aufmersamkeit zu erregen. Facebook, Myspace, Bandcamp. Like and share.
    »Du machst die Doku, damit wir mit fünfzig vor der Glotze sitzen können, mit unseren dicken Bäuchen, und uns an die beste Zeit in unserem Leben erinnern.« Er lacht.
    »Ach so, na dann!« Ich drehe die Musik lauter und beobachte Milo von der Seite, wie er sich auf die Straße konzentriert, die Augen zusammenkneift, so als bräuchte er eigentlich eine Brille. »Wo fahren wir eigentlich hin?« Ich rücke auf der Sitzbank ein Stück näher an ihn ran.
    »Sag einfach stopp«, schlägt er vor und kurbelt die Fensterscheibe nach unten.
    Der Fahrtwind zerzaust uns die Haare. Ich habe meine vor der Tour noch einmal kräftig rot gefärbt und die Locken, die mir vor die Augen geweht

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