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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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Kamera abzubauen und in der Tasche zu verstauen. Ich habe bereits vier Bänder voll mit Material. Das bedeutet auf jeden Fall viel Schneiden. Stundenlang vor dem Computer sitzen, mit technischen Widerständen kämpfen, Effekte ausprobieren. Ich möchte die Sache richtig gut machen. Nicht nur, weil ich dafür Geld bekomme, sondern weil es das erste Mal ist, dass ich mich richtig für etwas interessiere und das Gefühl habe, etwas gefunden zu haben, was mir liegt. Papa war skeptisch, als ich mir die Kamera zum Geburtstag gewünscht habe. »Ist das nicht wieder so eine Phase? Wie Eislaufen und Querflöte und Theaterworkshop? Ich finde das eine gewagte Investition für eine Phase.« Aber schließlich hatten meine Eltern sie mir doch geschenkt. Ein bisschen will ich auch, dass die Doku gut wird, damit sie ihr Geschenk nicht bereuen.
    »Fresschen ist fertig!« Milo kommt zu uns rüber mit einem dampfenden Campingtopf in der Hand. »Kommt ihr?«
    »Ich esse später«, murmelt Robert, ohne uns anzusehen.
    Milo schaut mich fragend an und ich zucke mit den Schultern. Er reicht mir einen Löffel Ravioli zum Probieren.
    »Hmm. Das Beste, was ich bisher auf der Tour gegessen habe!«, lüge ich ganz offensichtlich und balanciere die Ravioli auf der Zunge, damit sie mir nicht den Gaumen verbrennen. Milo grinst, und ich folge ihm zu den Autos, wo alle schon um das Lagerfeuer sitzen und sich einen Topf teilen, indem sie ihn reihum weiterreichen.
    »Hilfst du mir, meine Haare zu flechten?«, fragt mich Linda, als ich neben ihr Platz nehme.
    »Äh …«
    »Ich schaffe das niemals alleine! Also alle Haare, ich will ganz viele so Mini-Zöpfe, verstehst du?« Sie sieht mich mit einem flehenden Blick an.
    »Ja, klar … lass mich nur diese leckeren Ravioli hier …«
    »Klar!«, unterbricht sie mich und drück mir einen Kuss auf die Wange. Das macht mich so perplex, dass ich mich an dem Essen verschlucke und husten muss.
    Edgar klopft mir rettend auf den Rücken und lacht sich innerlich tot wegen diesem ganzen Durcheinander hier.
    Matse macht wieder den DJ , er und Christian verziehen sich in den Opel, gehen ihre heiligen iPod-Playlists durch.
    Ich hätte mich eigentlich gerne länger mit Robert unterhalten, ohne laufende Kamera. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass ich es richtig fand, wie er sich bei den Faschos verhalten hat. Ich hätte auch tiefer nachbohren sollen wegen der Musik. Ich glaube nicht, dass er sonst nichts kann, das ist bestimmt nur so ein Image-Ding. Aber ich weiß nicht, wie ich an den rankommen soll. Ich habe den Eindruck, dass er mich blöd findet, dass ich für ihn nur so ein Anhängsel der Band bin, das in Wirklichkeit gar keine Ahnung von Musik hat und schon gar nicht vom Rock’n’Roll. Im Grunde stimmt das ja auch. Ich bin, wie bisher immer in meinem Leben, aus Versehen hier reingeraten. In die Musik arbeite ich mich erst Stück für Stück rein, und Rock’n’Roll bin ich wirklich nicht, zumindest nicht länger als ein paar Tage.
    »Hat eigentlich jemand versucht, Dan zu erreichen?«, frage ich und gebe den Topf an Milo weiter.
    Tom reicht mir sein Handy. »Hier, bitte schön, nur zu, Mutti.«
    Ich muss mich sehr zusammenreißen, um nichts zu erwidern. Ich suche in den Kontakten nach Dans Nummer und höre es klingeln, aber Dan geht nicht ran. Vielleicht hatte er einfach die Schnauze voll von alldem und ist nach Hause gefahren. Er hätte wenigstens Bescheid sagen können. Aber wahrscheinlich ist das wirklich so ein muttihafter Gedanke, der Tom zu seinen Sticheleien verleitet. Ich gebe ihm sein Telefon wieder und zucke mit den Schultern.
    Linda holt aus dem Bus eine Packung bunter Bänder und setzt sich im Schneidersitz direkt vor mich, hält mir eine Haarsträhne entgegen. »Ungefähr so dick.«
    Ich fahre mit meinen Fingern durch ihre schönen Haare und der Duft ihres Shampoos steigt mir in die Nase. Ich mag sie wirklich. Ich wünschte, es wäre nicht so, dann müsste ich mich nicht wie eine Verräterin fühlen, hinterhältig und gemein. Aber Linda ist sie selbst und cool und sie ist wirklich Rock’n’Roll, und eigentlich weiß ich gar nicht, warum Milo und sie kein Paar sind. Sie passen im Grunde echt gut zusammen.
    Ich picke ein grünes Band aus der Packung und flechte es mit in den Zopf rein, während Linda mit ihren vorderen Haaren beschäftigt ist. Milo greift sich seine Gitarre und spielt leise den Song aus dem Radio mit. Sein Blick fest auf sein Instrument gerichtet, als würde er es liebkosen. Robert

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