Der eine Kuss von dir
Christian los. Robert zieht die Augenbrauen nach oben und Milo lächelt gequält.
»Ich habe auch einen …« Edgar hält sich den Bauch vor Lachen.
Ich mache die Kamera aus und lege mich auf eine Decke zu den anderen, lasse mir vom Feuer die Füße wärmen, höre ihren Witzen und Gesprächen mit halbem Ohr zu und merke, wie ich langsam wegdöse, in diesen angenehmen Zustand des Halbschlafs übergleite, wo immer alles gut ist.
Als ich am nächsten Morgen wach werde, merke ich sofort, dass meine Sachen klamm sind. Jemand hat mich zwar netterweise mit einer Decke zugedeckt, aber gegen den Morgentau konnte sie nichts ausrichten. Ich drehe mich auf die Seite und versuche, mir einen Überblick zu verschaffen. Linda und Robert schlafen noch. Im Bus rumpelt etwas und der Opel ist weg.
Ich stehe auf, wickel mir die Decke um den Körper und klopfe an die Bustür.
Milo schiebt sie leise auf. »Gott, bist du schön, wenn du verschlafen bist«, flüstert er in mein Ohr und sieht mich an, als wäre ich ein süßer kleiner Plüschhase.
Ich übergehe seine Bemerkung und setze mich auf die Rückbank, ziehe die Beine an und lege meinen Kopf auf die Knie. »Campen ist scheiße«, gähne ich.
»Das stimmt!«, grinst Milo, scheint aber unglaublich fit und munter. Er greift in seine Tasche und zieht die noch nasse Zahnbürste raus, reicht sie mir. »Danach geht’s ei nem sofort besser.«
»Du willst, dass ich deine Zahnbürste benutze?«
»Du musst nicht.« Er lässt sie auf den Sitz neben mir fallen, legt Zahnpasta und eine Flasche frisches Wasser dazu.
Ich raffe mich auf, trete aus dem Bus und bestreiche die Zahnbürste mit Zahnpasta. Wenn das nicht romantisch ist!
Milo zieht sich frische Socken an und schlüpft dann in seine Boots.
»Wo sind die anderen?«, frage ich mit Zahnpasta im Mund.
»Sie holen Frühstück.« Er kippt seine Klamotten auf den Boden und sortiert die schmutzigen Sachen in eine Plastiktüte. Linda schält sich aus ihrem Schlafsack und taumelt zu uns.
»Bist du fertig?«, fragt sie und deutet auf die Zahnbürste in meiner Hand.
»Moment.« Ich kippe Wasser drüber, aber sie grapscht schon selber danach und schiebt sie sich in den Mund. Mich schaudert bei dem Gedanken, wie viele Leute sich mit der Bürste wohl schon die Zähne geputzt haben. Wahrscheinlich sollte es in der Doku ein kurzes Kapitel geben, das den Werdegang der Gemeinschaftszahnbürste erklärt.
»Kommst du mit pinkeln?«, fragt Linda und spuckt Zahnpasta auf den Boden.
Ich schlurfe hinter ihr her und wir suchen uns einen Baum, der uns vor den Blicken der anderen abschirmt. Nicht, dass jemand gucken würde, aber sicher ist sicher.
»Ich habe echt gut geschlafen«, schwärmt Linda, geht in die Hocke, zieht ihre Unterhose bis zu den Knöcheln runter, stützt ihre Ellenbogen auf die Knie und ihr Kinn auf die Hände. Sie geht so selbstverständlich mit ihrem Körper um, das ist beneidenswert. Kein Wunder, dass sie super geschlafen hat und ich mich fühle, als hätte ich die ganze Nacht auf kaltem Betonboden geschlafen.
DER OPEL KOMMT unter Hupen auf die Waldlichtung gefahren. Die Jungs haben belegte Brötchen, Croissants und etwa ein Dutzend Pappbecher mit dampfendem Kaffee mitgebracht.
Edgar hält Robert einen vor die Nase, damit er endlich aufwacht.
Heute fahren wir nach Frankfurt Oder. Es soll keine besonders schöne Stadt sein, aber wenigstens ist sie größer als die Käffer, in denen wir bisher Halt gemacht haben.
»Magst du heute mit uns im Tourbus fahren?«, fragt Milo mich und hält mir die Tüte mit den Brötchen hin.
Ich greife mir eins mit Käse. »Warum nicht?«
»Tom gibt freiwillig seinen Platz ab.«
»Okay. Ich könnte dann ein bisschen filmen«, schlage ich vor und lächle Tom dankbar an.
»So war das gedacht«, sagt Milo, und als er sich wegdreht, sehe ich ein Lächeln aufblitzen.
Ich hoffe, er hat das so eingefädelt, nicht nur, damit ich filmen kann, sondern auch damit ich in seiner Nähe bin.
Nach den Frühstück sammeln wir unsere Sachen zusammen und stopfen sie in die Autos. Christian besteht darauf, dass wir unseren Müll wieder mitnehmen, und gerät mit Robert deshalb kurz aneinander. Ich laufe ein Stück in den Wald rein, um meine Eltern anzurufen.
»Frieda! Wie ist Eberswalde?« Mein Vater wirkt gut gelaunt.
»Oh … Eberswalde. Gut!«, flöte ich, und das sind gleich zwei Lügen auf einmal.
»Wir haben hier heute eine Party. Deine Mutter ist total aufgeregt und sucht in der ganzen Wohnung diese
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