Der eine Kuss von dir
und seine Mrs Robinson! Hast du sie schon gefragt, ob sie eine Tochter hat? Du weißt ja, wie das endet.« Ich klatsche in die Hände.
»Psst. Jetzt sei doch mal still, verdammt noch mal.« Er blinzelt mich böse von der Seite an.
»Okay, okay.« Ich freue mich für Edgar, obwohl Mrs Robinson ihm bestimmt das Herz brechen wird, aber vielleicht auch nicht, was weiß ich schon.
Als wir nach fast zwei Stunden wieder aus dem Kahn steigen, schlendere ich von der Seite unauffällig an Milo ran, möchte ihm für einen Moment nah sein, doch er bemerkt es entweder nicht, was schon schlimm genug wäre, oder aber er weicht absichtlich aus – und das macht mich auf einmal schrecklich traurig.
Zum Konzert sind etwa dreißig Leute gekommen, damit ist der kleine Raum aber gut ausgefüllt. Die BlackBirds spielen heute spontan ein Akustik-Set, Robert auf seinem Cajón, Milo auf einer nur leicht verstärkten Akustikgitarre und Tom steht sogar hinter einem richtigen Kontrabass, den er sich von der Kneipenbesitzerin Jenny ausleihen konnte, da es im Keller einen kleinen Proberaum mit Gemeinschafts-Instrumenten gibt.
Ich habe die BlackBirds bisher immer nur laut, dynamisch, wild gekannt. Diese Unplugged-Version ihrer Lieder hat eine ganz andere Qualität. Zum einen versteht man die Texte besser und zum anderen ist die Musik feiner, präziser und dadurch weniger wütend, sondern eher melancholisch. Die Leute tanzen nicht, sondern lehnen gemütlich an den Wänden oder sitzen an Tischen. Nur Jenny hinter der Bar wiegt ihre Hüften im Takt der Musik und hält die Augen geschlossen. Ich stehe im Türrahmen und nehme eine Totale auf, Bühne, Tresen, alle Gäste, den gesamten Raum, sogar den kleinen Dackel, der aufgeregt zwischen den Beinen der Leute hin und her rennt und auf dem Boden nach Essen schnuppert.
Plötzlich steht Dan neben mir. Er ist total außer Atem. »Hey.«
»Hey. Was machst du wieder hier?«, flüstere ich.
»Die Bahn ist gar nicht so scheiße, wie alle immer sagen. Ich habe Mandy abgeliefert und bin wieder zum Zug, und bitte, hier bin ich!«
»Seid ihr jetzt ein Paar?«, frage ich.
»Ja, und ich weiß, Fernbeziehungen und so. Wir schauen mal.« Er sieht total verknallt aus.
»Ihr seid ein schönes Paar«, sage ich.
»Danke. Ich schätze schon. Na ja, du hast deinen Teil dazu beigetragen.« Er grinst mich an.
»Unabsichtlich vielleicht.« Ich grinse zurück, dann schauen wir wieder zur Bühne.
»Ich liebe diese Jungs, hab ich das schon mal gesagt?« Dan nickt mit dem Kopf und verliert sich in der Musik.
»Ja. Die sind gut«, flüstere ich mehr zu mir selbst.
Milo hat mich kein einziges Mal richtig angesehen seit der Sache mit Linda. Ich würde gerne seine Gedanken kennen, wie er da jetzt sitzt auf dem Barhocker. Seine Haare fallen ihm vor die Augen und sein Fuß wippt auf dem Dielenboden den Takt mit.
Ich würde mich gerne zu ihm setzen, meinen Kopf an seine Schulter legen, so lange, bis alles wieder gut ist, bis wir über alles lachen können und endlich anfangen, ein richtiges Paar zu sein, eins, das sich nicht vor allen anderen verstecken muss. Ich frage mich, ob das funktionieren kann, im Alltag, ob wir uns jenseits von Musik und dieser ganzen Tour noch etwas zu sagen haben. Ob wir stundenlang telefonieren werden, weil keiner als Erstes auflegen will, ob ich ihn meinen Eltern vorstellen werde. Ich bin gespannt auf seine eigene Wohnung und die Dinge, die wir zusammen unternehmen werden. Kettenkarussell fahren vielleicht, einen Ausflug mit dem VW -Bus, Filme gucken, Konzerte besuchen, Partys feiern, die Nacht auf einer Decke im Park verbringen, zu Festivals fahren, Plattenläden durchstöbern. All das.
Dan zupft an meinem Ärmel und wir setzen uns auf den Boden neben die Bühne, lehnen uns an die Wand an. Sofort kommt der Hund zu uns gelaufen und legt seinen Kopf auf meinen Beinen ab. Ich streichle ihn vorsichtig und schaue mir dabei die Gesichter der Leute an, die selig zur Bühne schauen, mit einem Lächeln auf den Lippen oder mit geschlossenen Augen. Ich überlege, dass Musik wirklich die großartigste Kunst von allen ist, weil sie im selben Moment, in dem sie gemacht wird, direkt ins Publikum geht. Die Gefühle, die Milo in sein Gitarrenspiel legt, kommen sofort bei mir an und lösen diese schmerzvolle Sehnsucht aus. Lange halte ich es ohne ihn nicht mehr aus.
Nach dem Konzert findet noch eine Party statt. Die Band wird wieder umringt von Leuten, die ihnen auf die Schultern klopfen oder etwas zu ihrer
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