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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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uns. Vorsichtig setze ich mich auf die Kiste, habe noch Sorge, dass sie unter mir zusammenkrachen könnte, aber sie scheint erstaunlich stabil. »Okay.« Ich atme durch und sehe Robert fragend an.
    »So, und jetzt trommeln. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.« Er macht es mir vor und ich versuche es nachzumachen. Mein Taktgefühl ist nicht das sicherste.
    »Du musst dich entspannen. Ganz locker aus dem Handgelenk. Schau, ich mache das mit dem Fuß und du machst es mit den Händen nach.« Er gibt wieder den Takt vor. Ich höre mich einen Moment rein, schließe die Augen und versuche, den Rhythmus zu halten.
    »Schon besser«, bemerkt Robert. »Und jetzt noch den Besen dazu.«
    Das bringt mich wieder durcheinander.
    »Na ja, gar nicht so schlecht für den Anfang. Ich muss jetzt aufbauen, aber wenn du willst, bringe ich dir das mal bei.« Er greift sich die Kiste und schlendert damit zur Bühne.
    »Ja … gerne!«, rufe ich ihm hinterher, ganz verdattert über das nette Gespräch. Der Eindruck, dass er mich nicht leiden könnte, löst sich in Luft auf, und ich habe plötzlich gute Laune. Wenn ich will, kann ich Cajón spielen lernen, das ist doch mal eine Option. Mein Vater wird die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich mir so ein Ding zu Weihnachten wünsche.
    Ich setze mich wieder an die Bar und sehe mir im Schnelldurchlauf die Aufnahmen der Tour an, um die Kassetten ordentlich zu beschriften, damit es später, beim Schneiden, leichter wird. Ich muss noch ein Interview mit Tom machen, er ist der Einzige, der noch nichts gesagt hat, er ist auch der Einzige, mit dem ich so gar nicht warm werde.
    »Wir können los«, sagt Edgar und trinkt einen Schluck von meinem kalten Kaffee.
    Ich binde mir meine Strickjacke um die Hüfte, für den Fall, dass es auf dem Boot kühl wird.
    Wir laufen die kurze Strecke zu Fuß. Die BlackBirds voran, ihre Sohlen klackern auf dem Kopfsteinpflaster. Sie laufen wie die Cowboys auf der Straße und weichen nur unwillig einzelnen Autos aus. Ein paar Ausflügler sehen ihnen erstaunt hinterher. Edgar und ich laufen dahinter und sehen uns das Schauspiel amüsiert an. Matse und Christian haben sich abgeseilt, sie wollten noch schnell einen Freund besuchen, der in Lübbenau wohnt.
    Der Kahn wartet am Ufer und die meisten Plätze sind schon belegt. Unsere »Gang« fällt in den Schmuddelklamotten definitiv auf, alle anderen Ausflügler haben sich mehr Mühe mit ihrem Outfit gegeben. Die Frauen tragen verspielte Strohhüte und einige Männer sogar weiße Hemden, die im Wind flattern.
    Wir setzen uns nach hinten, in die letzte Reihe. Milo hat ganz am Rand Platz genommen, er schaut zum Wasser hinab und pult abgeplatzten Lack von der Stuhllehne. Er ist in Gedanken versunken, und ich will ihn auch nicht vor dem Konzert nerven, aber gleich danach müssen wir unbedingt reden.
    Der Fährmann steigt in das Boot, mit einer riesigen Stange, und klettert hinter unsere letzte Reihe. Von dort stößt er die Stange ins Wasser und wir legen ab. Wir sind jetzt auch Ausflügler und das ist wirklich ein großer Kontrast zu der sonstigen Tour. Ich finde es cool, dass die Jungs sich darauf eingelassen haben, obwohl wir hier deplaziert wirken, aber vielleicht ist das auch nur Einbildung. Ich lehne mich zurück und strecke mein Gesicht zur Sonne.
    Der Fährmann erzählt kleine Anekdoten, erklärt die Gegend und zeigt uns die Vogelschutzgebiete. Kajakfahrer schwimmen an uns vorbei und winken. Kleine Kinder in orangenen Schutzwesten kichern. Wir kommen an eine Schleuse und müssen kurz warten. Danach wird der Fluss von großen Bäumen gesäumt, hinter denen die Fassaden von Villen hindurchschimmern.
    »Bonzen«, murmelt Robert in seinen Drei-Tage-Bart.
    Ich sage nichts, schließe die Augen, lasse mich von der tiefen Stimme des Fährmanns einlullen und genieße die fließende, ruhige Bewegung des Kahns, die angenehme Luft, die mir ins Gesicht weht.
    Edgar spielt mit seinem Handy rum, er chattet schon die ganze Zeit.
    »Willst du nicht lieber die Aussicht genießen?«, frage ich und stupse ihn in die Seite.
    »Ja, nein, das ist … Karin. Sie schreibt mir.« Er sieht nicht vom Display auf.
    »Wow. Echt? Ihr schreibt euch? Was schreibt sie denn so?« Ich bin so schrecklich neugierig und schiele auf sein Handy.
    »Das ist privat«, sagt Edgar empört.
    »Komm schon, wir sind doch beste Freunde!«, erinnere ich ihn.
    »Na ja. Wir treffen uns vielleicht noch mal.« Er läuft rot an.
    »Nicht wahr? Oh mein Gott, Edgar

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