Der Einfaltspinsel
er daran dachte, Immelmann Enterprises in Richtung Arzneimittel zu diversifizieren. Und er hatte eine Frau am Hals, die nicht wusste, dass die englische Zeit fünf Stunden Vorsprung vor der Zeit an der US-Ostküste hatte. Als hätte sie keinen blassen Schimmer davon, dass die Sonne im Osten aufging.
»Aber dann muss er zu Hause sein«, sagte Eva, deren Besorgnis einen neuen Höhepunkt erreichte. »Meint ihr, ich sollte es noch mal probieren?«
»Ja«, sagte Wally. »Unbedingt. Vielleicht hatte er einen Unfall. Ein Typ unten in Alabama ist letzten Herbst von der Leiter gefallen, und seine Frau rief immerzu an, aber er kam nicht ans Telefon. An den Kühlschrank kam er auch nicht. Ist verhungert. Und verdurstet. Er wurde erst gefunden, als ein paar Jugendliche bei ihm einbrachen, aber da war er nur noch Haut und Knochen.«
Das genügte. Eva war schon im Schlafzimmer und versuchte erneut durchzukommen.
»Das hättest du ihr nicht sagen müssen«, meinte Tante Joan.
»Das war richtig fies.«
»Hätte ich doch, und fies war’s überhaupt nicht. Nicht so fies, wie mit ihr und deinen Nichten hier eingeknastet zu sein.«
»Und mit deinen, Wally Immelmann, es sind auch deine Nichten.«
Wally lächelte gehässig und schüttelte den Kopf. »Ich habe dich geheiratet, Schatz, nicht deine Scheißfamilie. Die und ich, wir sind nicht blutsverwandt.«
Bevor der nächste heftige Ehestreit entbrannte, war Eva wieder da und verkündete, das Telefon zu Hause habe endlos geklingelt und Henry sei immer noch nicht rangegangen.
»Sehr vernünftig von dem Typ«, dachte Wally. Er sagte es nicht laut.
»Gibt es nicht eine Freundin, die du bitten könntest, mal nachzusehen?«, fragte Tante Joan.
Eva meinte, Henry könne die Mottrams nicht leiden und käme mit den Nachbarn nicht gut aus.
»Sein bester Freund ist Peter Braintree. Bei denen könnte ich’s wohl mal probieren.«
Sie ging wieder ins Schlafzimmer und kam fünf Minuten später wieder.
»Da geht auch niemand ran«, sagte sie. »Es sind Sommerferien, und sie verreisen immer.«
»Vielleicht hat Henry sie ja begleitet«, schlug Tante Joan vor.
Doch Eva war nicht überzeugt. »Das hätte er mir vorher erzählt. Er hat ganz klar gesagt, er müsse zu Hause bleiben, weil er diesen Kurs für die Kanadier unterrichten müsse. Wir brauchen das Geld für das Schulgeld der Mädchen.«
»Nach allem, was sie zu Reverend Cooper gesagt haben …«, begann Wally, bis ihn ein Blick seiner Frau verstummen ließ.
Im Swimming-Pool amüsierten sich die Vierlinge köstlich.
»Also wirklich, wie sich die Mädels im Pool vergnügen«, sagte Tante Joan. »Wie die Fische im Wasser.«
»Kann man wohl sagen«, bekräftigte Onkel Wally. Er glaubte zu wissen, warum die vier dermaßen merkwürdig waren. Bei einer so dämlichen Mutter wie Eva war es erstaunlich, dass sie überhaupt sprechen konnten. Zum ersten Mal ertappte er sich dabei, dass er sie irgendwie mochte. Sie lenkten ihn von seinen anderen Sorgen ab.
Doch Evas Gedanken kreisten um Henry. Es sah ihm nicht ähnlich, ständig außer Haus zu sein. Und er war garantiert nicht verreist. Hätte er das getan, hätte er sie bestimmt angerufen, um es ihr mitzuteilen. Sie wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte. Und falls ihm etwas zugestoßen wäre, etwa bei einem Unfall oder wenn er krank geworden wäre, hätte bestimmt jemand Kontakt mit ihr aufgenommen. Sie hatte ihren Namen, Tante Joans Adresse und Telefonnummer auf der Korkpinnwand hinterlassen, wo man sie nicht übersehen konnte, und für alle Fälle hatte sie sie auch Mavis Mottram gegeben. Auch wenn Henry Mavis und Patrick Mottram nicht mochte und sie ihn gewiss nicht leiden konnten – Mavis’ Haltung grenzte an Hass, weil, wie Eva vermutete, sie sich mal an Henry rangemacht und er sie mit deutlichen Worten abgewiesen hatte –, aber dennoch hätte Mavis sie sofort wissen lassen, wenn etwas Ernstes passiert wäre. Sie genoss so etwas. Andererseits genoss Eva es keineswegs, Mavis anrufen und fragen zu müssen, was Henry so machte. Das würde sie nur im äußersten Notfall tun. In der Zwischenzeit tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass die Mädchen so viel lernten und sich dabei so prima amüsierten.
Ohne es zu wissen, hatte sie in beiden Punkten Recht. Josephine und Samantha hatten den Kassettenrekorder unter dem Bett mit der Ausrede hervorgeholt, sie wollten einen ruhigen Tag mit Musikhören in ihrem Zimmer verbringen, und ob sie sich Onkel Wallys Kopfhörer ausleihen dürften,
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