Der Einsatz
machen?»
«Ich kann dir nur sagen, was du nicht machen darfst, mein Freund. Du darfst von dem, was du heute gehört hast, niemandem ein Sterbenswörtchen sagen. Vergiss nicht, dass du jetzt ein Mitglied unserer Familie bist. Diese Information gehört uns, und wir haben sie an Harry Pappas weitergegeben und an sonst niemanden.»
«Du setzt mich unter Druck, Adrian. Das gefällt mir nicht.»
«Ich setzte dich keineswegs unter Druck. Im Gegenteil, wir helfen dir dabei, deine Regierung vor einer großen Dummheit zu bewahren. Wir sorgen dafür, dass die ‹besondere Beziehung› zwischen unseren beiden Ländern eine besondere bleiben kann. Das können wir nur bewerkstelligen, wenn wir dich beiseitenehmen und dir etwas ins Ohr flüstern und du dann darüber nachdenkst, was du mit diesen Informationen anfängst. Dafür ist bei uns keiner intelligent genug, nicht mal dein alter Kumpel Adrian. Das ist jetzt deine Show, Harry. Aber falls du irgendwem erzählst, was du heute gehört hast, bringst du dieses Kartenhaus zum Einsturz, und das trifft dann dich und mich und uns alle. Darauf kannst du Gift nehmen.»
Sie gingen zurück zur Mount Street und ließen sich zum Flughafen bringen. Harry kam zu spät in Heathrow an, aber Adrian zog ein paar Strippen, und auf einmal konnte das Flugzeug nach Washington wegen einer Sicherheitsinspektion durch die Flughafenbehörde erst mit einer Stunde Verspätungabheben. Auf dem langen Rückflug versuchte Harry zu schlafen, doch er bekam kein Auge zu.
17 Teheran
Karim Molavis Bürotür im weißen Gebäude der Firma Tohid war nur einen kleinen Spalt weit geöffnet. Doktor Molavi hatte sie absichtlich offen gelassen, um zu zeigen, dass er kein Heimlichtuer war, obwohl er an streng geheimen Projekten arbeitete. In den vergangenen Wochen hatten sie ihm immer weniger Arbeit gegeben, und das hatte ihn stutzig gemacht: Vertrauten sie ihm etwa nicht mehr so wie früher? Hatten sie seinen Namen auf die Überwachungsliste gesetzt? Aber das waren Fragen, über die man nicht zu lange nachdenken durfte, sonst wurde man mürbe.
Der junge Wissenschaftler wiederholte leise die Sure aus dem Koran, die dem Regime als Führungsgrundsatz diente:
Amr be marouf, va nahi az monker.
Befördere die Tugend und dämme das Laster ein. Genau das tat er jeden Tag, nur dass er Tugend und Laster anders interpretierte als die Lügner des Regimes. Er musste klüger sein als die anderen, Tag für Tag, Minute für Minute. Er hatte sich immer dadurch schützen können, dass er neue Entwicklungen bereits vor den anderen erkannte und sie gedanklich schneller verarbeiten konnte.
Molavi trug wie immer ein kragenloses weißes Hemd, doch die goldenen Manschettenknöpfe seines Vaters legte er seit einiger Zeit nicht mehr an. Ohne genau zu wissen weshalb, hatte er sie zu Hause in eine Schachtel gelegt und in seiner Wohnung versteckt. Die Jacke seines schwarzen Anzugshing ordentlich auf einem hölzernen Kleiderbügel an der Rückseite der Tür. Seit einiger Zeit machte Molavi sich Sorgen, dass er zu gepflegt aussah, und hatte sich daraufhin sein volles, glänzendes Haar schneiden und einen Bart wachsen lassen. Männer, die zu sehr auf ihr Äußeres achteten, waren dem Regime neuerdings ein Dorn im Auge. Polizisten kamen in die Friseurgeschäfte und verkündeten, dass das Trimmen von Augenbrauen und das Entfernen von Nasenhaaren gegen den Willen Gottes sei. Wenn Molavi an so etwas dachte, kam ihm sein Verrat gleich wieder gerechtfertigt vor. Wer sollte bei so einem Irrsinn nicht zum Verräter werden? Allein der Gedanke, dass Gott einem vorschrieb, buschige Augenbrauen zu haben!
Auf seinem Schreibtisch lagen mehrere Artikel, die er sich aus westlichen Zeitschriften kopiert hatte. Darin strich er mit gelbem Textmarker wichtige Stellen an. Er brauchte sie für seine Vorlesung an der Universität, die er einmal pro Woche hielt und die Teil seiner Tarnung war. Mit rotem Marker strich er wiederum die Informationen an, die ihm bei seiner geheimen Arbeit bei Tohid nützlich sein konnten. Molavi stand auf, ging zum Fenster und zog den dunklen Vorhang zurück. Draußen war es gleißend hell. Eine komplett andere Welt. Autos, die vorbeifuhren, Großmütter und Kindermädchen, die Babys in ihren Kinderwagen den Gehsteig entlangschoben, die reichen Männer, die in Jamaran lebten, und die armen, die ihnen dienten – und die doch alle ein großes Geheimnis teilten, dass sie nämlich von dem träumten, was zwischen den Beinen der Frauen
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