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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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er schon vor langer Zeit Abstand genommen, aber seine Bibliothek enttäuschte ihn nie. Er las die Bücher Jahr für Jahr wieder und fand darin immer Dinge, die er beim letzten Mal übersehen hatte. Im Augenblick las er gerade zum wiederholten Mal Trollopes
The Way We Live Now
. Das Buch war 1875 erschienen, als der neue Wohlstand in London, vergleichbar mit den heutigen Hedgefonds, für eine Flut von frischgebackenen Milliardären sorgte.
    «Haram» ,
sagte Atwan und benutzte damit das arabische Wort für Fehlverhalten. «Ich misstraue diesem neuen Reichtum zutiefst, denn er verschafft den Menschen viel zu viele Freiheiten. Die Geschäftsleute glauben, sie seien die neuen Götter und könnten sich alles erlauben. Dabei vernachlässigen sie völlig ihre Pflichten, was ich persönlich niemals tue. Ich kümmere mich um meine Freunde.»
    Er griff auf seine vertrauliche Art nach Adrians Hand und hielt sie einen Augenblick lang fest.
    «Adrian ist genauso. Auch er lässt seine Freunde nicht im Stich. Und Sie tun das auch nicht, Mr.   Fellows, das spüre ich.»
     
    «Wie hat dir Kamal Atwan gefallen?», fragte Adrian, als sie das Haus verließen. «War die Begegnung mit ihm nicht ‹den Umweg wert›, wie es im Guide Michelin immer so schön heißt?»
    «Ein beeindruckender Mann, in der Tat. Ich habe noch nie einen Araber wie ihn getroffen. Ihr zwei geht ja ausgesprochen freundschaftlich miteinander um. Könnte es sein, dass ihr vielleicht geschäftlich miteinander zu tun habt? Außerhalb des SIS, meine ich.»
    «Manche Dinge fragt man besser nicht, alter Junge. Vor allem nicht jetzt.»
    «Es hat mich ja fast umgehauen, als er Tohid erwähnt hat. Darüber müssen wir noch reden.»
    «In Ordnung.» Winkler sah sich um. Ein Wagen wartete auf sie, doch er schien dem Fahrer nicht recht zu trauen. «Lass uns einen Spaziergang machen», sagte er. «Damit uns niemand belauschen kann, okay?»
    Er ging mit großen Schritten davon, sodass Harry Mühe hatte, hinterherzukommen. Sie gingen die Mount Street entlang, und Adrian bog in eine schmale Gasse namens Hay’s Mews ab. Er schwieg so lange, bis sie sich weit genug von der größeren Straße entfernt hatten.
    «Du hast es kapiert, oder?», fragte er dann. «Ich meine, du begreifst, worum es hier geht?»
    «Dein Geschäftsmann verkauft irgendwelches technisches Zeug an die Iraner. Und daher weißt du, was sie für ihr Atomwaffenprogramm brauchen.»
    «Natürlich, alter Junge. Ja, ich gebe zu, wir kontrollieren die Lieferungen. Aber was zählt, ist der Mehrwert. Darum geht es in diesem Spiel.»
    «Wie meinst du das?»
    «Nun, Harry, all diese technischen Geräte, die Kamal erwähnt hat. Oszillographen und FX R-Röntgengeräte und Hochleistungscomputer. Diese Dinge braucht man, wennman herausfinden will, wie sich radioaktives Material im Inneren einer Atombombe bis zum großen Knall bewegt. Dabei kommt es auf allerhöchste Messgenauigkeit an. Verstehst du, worauf ich hinauswill?»
    «So langsam macht es klick.» Ein Lächeln breitete sich auf Harrys Gesicht aus. «Erzähl mir mehr.»
    «Na ja, es liegt doch eigentlich auf der Hand, was wir tun müssen. Jetzt, wo wir wissen, wer diese Dinge kauft, können wir in Dubai oder in Islamabad in das Lagerhaus gehen, wo das Material zum Weitertransport liegt, und an den Geräten ein paar   … nennen wir es mal ‹Anpassungen› vornehmen. Einen winzigen Messfehler, den man auf Anhieb gar nicht bemerkt, der vielleicht erst in einem Jahr sichtbar wird. Aber so ein Messfehler würde schon genügen, um sie auf einen falschen Weg zu führen, wie ein Kompass, der nicht mehr genau nach Norden zeigt. Du glaubst, du gehst nach Birmingham, aber in Wirklichkeit landest du in Penzance. Kannst du mir noch folgen, Harry?»
    Die Luft in London war nasskalt. Im Westen zogen dunkle Regenwolken auf. Harry vergrub die Hände in den Taschen und drehte sich dann zu Winkler um. Er lächelte.
    «Und ob ich dir folgen kann.»
    «Also, worauf will ich hinaus, alter Junge?»
    «Dass unser geheimnisvoller Informant in der Firma Tohid bei seinen Experimenten falsche Werte erhält. Es geht nicht darum, dass seine Tests funktionieren, sondern dass sie eben nicht funktionieren. So läuft das Spiel.»
    «Ganz genau, alter Junge. Seine Mitteilungen an euch sagen uns, dass unsere Sabotage Erfolg hat. Ihm ist das natürlich nicht bewusst.»
    «Dann passiert im Iran das genaue Gegenteil von dem, was Washington glaubt.»
    «So ist es.»
    «Was zum Teufel soll ich denn jetzt

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