Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Mails will jemand uns daran erinnern, was passiert ist. Und wir alle wissen, dass die Hunde nur ein Symbol sind. Meine Frage ist: Wozu? Was zum Teufel will er damit sagen?«
Niemand hatte eine Antwort, zumindest dem Anschein nach, so dass Sílvia beschloss, das Gespräch wieder in die Hand zu nehmen, auch wenn sie kurz warten musste, weil ein Handy klingelte; Amanda drückte den Anruf weg.
»Das können wir nicht wissen, Brais. Ich schlage also vor, dass wir die Sache mit den Mails zunächst beiseitelassen und entscheiden, was wir jetzt tun. Ich bin nämlich sicher, dass die Mossos demnächst in der Firma auftauchen, und sei es aus reiner Routine. Schließlich sind in fünf Monaten zwei Personen gestorben, die mit dem Haus in Verbindung standen. Es gibt keinen Grund, darüber hinaus etwas zu vermuten, aber wegen Sara werden sie kommen. Genauso wie bei Gaspar …«
»Sílvia will damit sagen«, nahm César den Faden auf, »dass wir uns ganz normal verhalten müssen. Erst einmal hat Saras Selbstmord nichts mit uns zu tun.«
»Und wenn sie wegen der Fotos fragen?«, hakte Manel nach. »Wir wissen nicht, ob sie auch eins bekommen hat. Meins kam Tage nach ihrem Tod. Vielleicht hat diese Person ihr vorher eins geschickt. Und auch Gaspar.«
»Ein Todesurteil?« César wollte ironisch klingen, aber es gelang ihm nicht.
»Ich habe nicht vor, aus dem Fenster zu springen, auch nicht, mir eine Kugel in den Kopf zu jagen«, sagte Brais. »Von mir aus können die mir Fotos schicken, bis sie es leid sind.«
»Wenn sie wegen der Fotos fragen, erzählen wir ihnen die Wahrheit«, sagte Sílvia. »Wir haben nichts zu verbergen. Wir haben diese armen Windhunde oder Hasenhunde oder was auch immer an einem Baum gefunden, und wir habenfür sie mehr getan, als die meisten Leute tun würden. Und selbst wenn es, wie du sagst, einen Verrückten gibt, der sie fotografiert hat und meint, er müsse mit uns einen Scherz treiben, glaube ich nicht, dass die Sache darüber hinausgeht.«
So wie sie es sagte, dachte César, sollte sich wohl jemand angesprochen fühlen, nur hielt sich niemand für einen Verrückten.
»Wir haben noch nicht von Octavi gesprochen«, sagte Amanda. »Vielleicht, bei allem, was seine Frau mitmacht …«
»Octavi würde uns niemals verraten, Amanda!«, fiel Sílvia ihr ins Wort. »Könnte ich mir nur bei allen so sicher sein wie bei ihm.«
Amanda wurde rot, und kurioserweise sah sie jetzt so hübsch aus wie nie.
»Willst du mich beschuldigen?«, murmelte sie. »Mich?«
»Ich sage nur, wenn das herauskommt, werden einige von uns mehr verlieren als andere. Aber ich möchte euch an etwas erinnern: Wir alle teilen die Verantwortung, wir alle haben den Pakt geschlossen, einstimmig.«
Bei diesem Vokabular musste sich César ein Lachen verkneifen. Pakt, Verantwortung, einstimmig.
»Um wieder auf den Punkt zurückzukommen«, sagte er, als Sílvia ihn anblitzte: »Sind wir uns einig, was wir jetzt tun?«
Sie nickten. Und auch wenn César der Ausdruck nicht gefiel, erneuerte die Gruppe den »Pakt«. Als wären sie schon daran gewöhnt.
»Red keinen Unsinn. Ist dir nicht klar, dass einer von ihnen dahintersteckt?«
Sílvias Frage hing im Raum, verletzend wie eine Beleidigung.
»Das muss nicht so sein«, sagte César, auch wenn es auf der Hand lag.
»Ach, nein? Woher sollte er sonst wissen, was wir getan haben?« Sie war nicht böse auf ihn, aber die Anspannung war zu groß, sie musste sich Luft verschaffen.
»Sicher, dass es ein Mann war?«
»Nein, sicher bin ich mir nicht. Die Stimme klang merkwürdig, wie kauend. Wieso, was meinst du?«
»Manel ist erst spät gekommen, kurz vor dir.«
Sie seufzte, niedergeschlagen, wütend.
»Mir ist es egal, wer es war. Ich habe nicht vor, darauf einzugehen.«
»Dann wird er zur Polizei gehen. Er hat Beweise, hat er dir gesagt! Er hat das Foto geschickt!«
Sílvia nahm sich Zeit, ehe sie antwortete.
»Das glaube ich nicht. Zumindest im Moment nicht. Er müsste dann seine Hoffnungen begraben.«
»Und?«
»Er hat gesagt, wenn wir das Geld nicht übergeben, stirbt bis Montag noch jemand.«
César schaute sie an, als würde er sie nicht wiedererkennen, als wäre die Frau vor ihm nicht dieselbe, die er in ein paar Monaten heiratete.
»Das ändert alles, Sílvia, ist dir das nicht klar? Um Himmels willen, wir müssen zur Polizei und …«
Sie packte ihn am Arm.
»Untersteh dich.« Sie sprach langsam, und bei jeder Silbe wurde der Druck ihrer Hand stärker. »Wir werden
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