Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
Vom Netzwerk:
Gaspars Tod erschütterte sie alle, erst recht Sara, und die schrieb ihr jetzt ab und zu. Sara war so einsam, sie brauchte jemanden, mit dem sie sprechen konnte, und sei es über ein so kaltes Medium wie E-Mail. Als Amanda dann eines Tages Saúl Duque, ihrem Gebieter, eine Nachricht schrieb, einen dieser geilen Texte voller intimer Details, merkte sie nicht, dass beim Eingeben des Empfängers nach den ersten beiden Buchstaben die Autovervollständigung den Rest ergänzte. Und die verflixte Nachricht landete im Posteingang von Sara, nicht von Saúl.
    Am liebsten hätte Amanda sich selbst ausgepeitscht, als sie den Irrtum bemerkte, aber es war zu spät. Sie konnte nur noch auf Saras Diskretion vertrauen. Und diskret war sie, wenn auch interessiert, mit einer Neugier, die sie bei ihr nie vermutet hätte. Sie verabredeten sich bei ihr zu Hause, und Amanda versuchte ihr zu erklären, was sie fühlte. Aber wie? Sie konnte nur von Einzelheiten erzählen, von Spielen, die, wenn man es aussprach, lächerlich oder verstörend klangen. Darauf deutete zumindest Saras Reaktion.
    Wie soll sie auch erklären, dass sie nach Jahren der unbewussten Suche in Saúl den Mann gefunden hat, der ihre intimsten Fantasien verwirklicht. Jemanden, der nicht nur attraktiv ist, sondern mit dem sie spielen darf, spielen ohne Angst. Und auch wenn Saúl hart sein kann, geht er niemals zu weit, immer scheint er zu wissen, wann der Moment gekommen ist, abzubrechen und einfühlsam zu trösten. Außerdem geht es nicht nur um Sex. Amanda fühlt sich behütet, beschützt. Sie könnte niemandem erklären, warum das Gefühl, jemandem zu gehören, ihm zu gehorchen, sie derart erfüllt. Manchmal hat sie Angst, ihn zu verlieren, nicht weil sie ihn liebt, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne, sondern weil sie weiß, dass es schwer sein wird, noch einmal eine solche Lust zu erleben. Ganz sicher wird irgendwann Schluss sein, das ist beiden klar. Aber im Moment ist es besser, nicht daran zu denken.
    Amanda macht sich Kaffee, liest die Mail, runzelt die Stirn. Es gibt Spiele, die ihr mehr gefallen als andere, und was Saúl für heute befiehlt, gehört bestimmt nicht zu ihren liebsten. Doch sie protestiert nicht. Sie antwortet in dem gebotenen unterwürfigen Ton und bereitet alles für später vor.
    Gegen fünf Uhr schnappt sich Brais seine Jacke. Noch eine Minute länger in der Wohnung, und er schlägt die Wände ein. Schon anderthalb Tage hockt er zu Hause, zu viel Zeit der Untätigkeit für einen wie ihn. Er muss sich abreagieren, und das Fitness-Studio ist immer eine gute Möglichkeit. Auch muss er dem besorgten Blick von David entfliehen, der ihn mittags ganz ernst gefragt hat, was zum Teufel mit ihm los sei. Zum Glück konnte Brais seine gereizte Stimmung, ohne allzu sehr zu lügen, auf die stressige Arbeit schieben. Aber David ist nicht dumm, und auch wenn er so tat, als akzeptierte er die Ausrede, nahm er es ihm nicht ganz ab. Beim Essen versuchte Brais sich umgänglich zu zeigen, wollte sich dann ein paar Episoden von Mad Men ansehen, ein üblicher Zeitvertreib an winterlichen Sonntagnachmittagen, doch die Nerven spielten nicht mit, und er rutschte nur unruhig auf dem Sofa herum. Schließlich schlug David ihm vor, ins Studio zu gehen, »vielleicht beruhigt dich das«.
    Es wird schon dunkel, auch wenn man es an einem so grauen Tag kaum merkt. Brais lässt die Lichter der Theater an der Paral·lel hinter sich und läuft in Richtung Zentrum. Er geht schnell, den Sportbeutel über der Schulter, aber als er schon fast bei der Markthalle Sant Antoni ist, entscheidet er sich um. Nicht ins Studio will er. Um ein für alle Mal Ruhe zu finden, muss er etwas anderes tun, nicht auf einem Band laufen, bis ihm die Puste ausgeht. Probleme werden nicht gelöst, indem man vor ihnen flieht, sondern indem man sie angeht. Und im Moment hat sein Problem einen Namen: Manel Caballero.
    Es ist schon dunkel, als Octavi Pujades an der Haustür steht und dem Wagen seines Sohnes nachschaut. Alle gehen sie, denkt er, ohne jede Bitterkeit. Aber die Nacht, zusammen mit der Krankheit, macht ihm Angst. Irgendwo in der Nähejault ein Hund, bellt, als könnte er die bösen Geister vertreiben. Octavi geht hinein und schließt die Tür. Die Stille kommt wie ein Schlag, und er schaltet den Fernseher ein, nur um eine Stimme zu hören. Eugènia schläft oben, wenn man es denn schlafen nennen kann. Eher stirbt sie langsam, verfällt, bis sie die Augen nicht mehr aufbekommt. In den letzten Tagen

Weitere Kostenlose Bücher