Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
selbst befriedigte, dass sie ihre Brüste streichelte, im Freien. Ich wollte hören, wie sie stöhnte. Sie tat, was ich ihr sagte. Und dann hörte ich einen Schrei, und die Verbindung war unterbrochen.«
»Hat Amanda geschrien?«
»Ja. Ein paar Minuten später rief sie mich an, ganz durcheinander. Sie glaubte, sie hätte im Dunkeln einen Mann gesehen, der sie beobachtete. Der zusah, wie sie … Er hat nichts gemacht, hat sie nicht verfolgt. Aber Amanda bekam einen Riesenschreck und ist den Weg zurückgerannt.«
»Ist das alles?«
»Ja. Aber das war am Freitag. Die armen Tiere haben sie erst am nächsten Tag gefunden.«
»Ich weiß. Und sie haben sie begraben, das haben uns schon alle erzählt.« Héctor konnte es nicht mehr hören. »Sind Sie sicher, dass nichts weiter passiert ist?«
»Nicht damals, erst später. Aber es hat auch mit ihnen zu tun. Nach dem Sommer sagte Amanda, wir müssten vorsichtiger sein. Sie hatte den Verdacht, Sara Mahler könnte von unserer Beziehung erfahren haben. Sara war seltsam, wissen Sie? Man konnte nie wissen, was sie dachte.«
Héctor pflichtete bei. Die holländische Mitbewohnerin hatte ebenfalls eine solche Bemerkung gemacht. Und das Bild von Sara, dieser nicht eben attraktiven, einsamen Frau, wie sie die Geheimnisse jener erlauschte, die ein intensiveres Sexleben genossen, berührte ihn für einen unbehaglichen Moment.
»Wissen Sie, ob sich Amandas Verdacht bestätigte, oder war es eine bloße Vermutung?«
Saúl Duque schüttelte den Kopf. Doch bevor er etwas sagen konnte, hörten sie, wie der Verantwortliche von der Staatsanwaltschaft, der während des Gesprächs erschienen und zu dem Zimmer mit der toten Amanda durchgegangenwar, die Obduktion anordnete. Saúl stand auf, als wollte er dem Leichnam, bedeckt von einem weißen Laken, auf einer Bahre zur Tür getragen von einem Gefolge Unbekannter, die letzte Ehre erweisen.
Héctor betrachtete das Gesicht des jungen Mannes, und ihn überraschte der Schmerz darin. Ein tiefer, nur schwer vorzutäuschender Schmerz. Und er dachte, dass Saúl Duque vielleicht ungewöhnliche sexuelle Vorlieben hatte; dass er es genoss, so etwas wie Macht über ein Opfer auszuüben, das sich diesem Spiel mit einem ebensolchen Verlangen hingab; dass es ihn erregte, wenn er das Opfer auspeitschte oder demütigte. Aber er war sich sicher, dass er für Amanda etwas gefühlt hatte. Und auch wenn viele es nicht Liebe nennen würden, ging es doch über die reine Lust hinaus.
»Tut mir leid, Herr Duque, aber Sie werden uns aufs Kommissariat begleiten müssen«, sagte Héctor, nicht nur, weil er ihn als Verdächtigen nicht ausschließen konnte, sondern weil er fürchtete, Saúl könnte sich, wenn sie ihn allein ließen, in dieser Nacht etwas antun. Genug der Selbstmorde, dachte er. Ob vorgetäuscht oder nicht. Genug der Toten. »Fort, durchsuch die Wohnung. Vor allem das Schlafzimmer. Spuren, du weißt schon, was auch immer.« Und ohne dass Duque es hörte, fügte er hinzu: »Behandel es wie ein Tötungsdelikt. Drei Suizide sind zu viel. Nenn es Instinkt oder Starrsinn, aber ich glaube es einfach nicht.«
Ohne all die Läden und Bars, die seine Eigenschaft als bloßer Durchgangsort kaschierten, verwandelte sich der Terminal in einen ruhigen, stillen Ort. Wären die Sitze bequemer gewesen, hätte man die Halle fast als gemütlich bezeichnen können. Ein paar Reisende bewegten sich auf den Laufbändern dahin, entfernten sich mühelos in Richtung Flugsteige, wie Automaten in einem Stummfilm. Der Anblick beruhigteihn nach einem langen Tag voller Anspannung. Einem Montag, der kein Ende nehmen wollte.
»Drei Suizide sind zu viel.« Das sagte Héctor auch zu Sílvia Alemany, die so viel Anstand bewies und sich berührt zeigte.
Nachdem er die Nacht auf dem Kommissariat verbracht und auf Saúl Duque aufgepasst hatte, war es ihm um acht Uhr morgens gelungen, einen Freund von ihm ausfindig zu machen, einen Anwalt, der die entsprechenden Formalitäten erledigte und ihn mit nach Hause nahm. Hunger auf Frühstück hatte er nicht, er trank nur einen raschen Kaffee und dämpfte das Schwindelgefühl mit zwei Zigaretten. Ein kurzes Gespräch mit Fort, der mittlerweile aus der Wohnung der mutmaßlichen Selbstmörderin zurück war, hatte so viel Licht wie Schatten gebracht. Falls es noch Zweifel an der Art der Beziehung zwischen Amanda und Saúl gab, hatten die in ihrer Wohnung aufgefundenen Utensilien diese vollständig ausgeräumt. Einer der Schränke hätte in einem
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