Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
Vom Netzwerk:
vor allen Dingen, sag ihr etwas Versöhnliches, denn sie kann wirklich nichts dafür und eigentlich ist ja auch noch Zeit genug. Noch nicht 4. Bis Mitternacht kann noch einen ganzen Arbeitstag … Nein, das lieber nicht. Und das andere? Statt mit vorgestellten Freunden mit seiner Frau reden? Andererseits kennt sie die Geschichte bereits. Ausrede. Ja. Ich will keine neue Aufregung deswegen. Dann stell dich doch mal geschickt an …
    Entschuldige, fing er an … es ist wegen des Geldes der Armenier. Ich will vorbereitet sein … Wissen, was es zu wissen gibt und was man machen muss … Verstehst du?
    Natürlich, sagte Flora. Natürlich verstehe ich das. Und ich würde auch gerne alles tun, bzw. ich tue ja bereits alles, was in meiner Macht steht, aber zaubern kann ich eben auch nicht.
    Ich weiß, natürlich nicht, das erwarte ich auch nicht, tut mir leid.
    Es braucht dir nicht leidzutun. Ich sag’s bloß.
    Sie lachten ein wenig.
    Verstehe das einer, sagte sie, mit den Händen auf dem Lenkrad,
mit dem Blick in den Stau. Einerseits würde ich am liebsten nie wieder zurück, andererseits will ich auch nicht, dass man mich wegen Unpünktlichkeit feuert.
    Kopp legte ihr schuldbewusst eine Hand aufs Knie. Mit der anderen schaltete er das Gebläse auf kleinere Stufe und wäre dann dazu übergegangen, das zu tun, was er sich zuvor vorgestellt hatte: Fenster, Tür, an einem sommerlichen Straßenrand stehen, aber dann rollte die Kolonne plötzlich doch los.
    Sie erfuhren nie, was den Stau verursacht hatte. Sie fuhren Stopp-and-go bis ins nächste Dorf, raupten zu ¾ um einen Kreisverkehr herum, und ab da lief es wieder. Flora überschritt die Geschwindigkeitsbegrenzungen jeweils so, dass es nicht zu verantwortungslos war und man - im Fall der Fälle - auch nicht mit einer zu hohen Strafe rechnen musste (10 km/h innerorts, 20 außerhalb). Kopp stiftete sie nicht offen dazu an, aber er war ihr dankbar dafür. Er schaltete das Radio ein und genoss für den Rest der Fahrt die Ruhe und den Frieden.

Die Nacht
    Später, und zwar gerade in dem Moment, als seine Finger das kühle, sehr kühle, um ein Haar eisige Bierglas berührten - um ihn herum die Idylle einer lauen Sommernacht, alle Welt unter freiem Himmel, Liebespaare spielten Pingpong, auf einem Rasenstück zwischen einem gelben Bauwagen und einer Litfaßsäule saßen junge Leute und kifften, Frauen auf Fahrrädern fuhren vorbei, ihre Röckchen wehten … - flog Darius Kopp das schlechte Gewissen an, aber da war es schon zu spät. Ich habe so ein Theater um die Nutzbarkeit/Nicht-Nutzbarkeit dieses Tages gemacht, und dann …
    Was war geschehen?

    Kurz gesagt: er hatte den Laptop eingeschaltet, er hatte auch schon den Browser geöffnet, er war also nur noch einen einzigen Schritt weit davon entfernt, Punkt 1 abzuarbeiten - und dann?
    Ich weiß auch nicht. Es ist nicht dazu gekommen, so viel kann man sagen. So, wie die erste Hälfte des Tages zu viel Zeit beinhaltete, schien es in der zweiten Hälfte zu wenig davon zu geben. In dem Moment, da sie die Stadt erreicht hatten, nahm eine Beschleunigung ihren Lauf, gegen die Kopp ebenso wenig ankam wie zuvor gegen die aufgezwungene Langsamkeit.
    Flora hatte keine Zeit mehr, ihn zu Hause oder am Büro abzusetzen, sie musste ihn mitnehmen an den Strand. Das machte Kopp gar nichts, das Büro ist in Laufweite: 20 Minuten, eine halbe Stunde, höchstens. Unterwegs rufe ich Juri an und verabrede mich mit ihm für später. Zum Abschied küssten sie sich auf den Mund und wünschten einander einen schönen Abend.
    Die erste Hälfte des Fußmarsches genoss Darius Kopp ohne Einschränkung. Das ist meine Stadt. Ich betrachte sie, wie ein Heimkehrender sein Zuhause und gleichzeitig wie ein erstmals hier gelandeter Außerirdischer. Die Straßen sind breit, die Gebäude sind gemäßigt hoch und sandfarben, die Wege sind gut gepflastert und sauber gehalten, die Abgase sind gefiltert, es liegen Schienen, es fliegen Flugzeuge: eine wohlhabende Gesellschaft auf hohem technischem Entwicklungsstand. Wohlgenährte, gesunde, fröhliche Population. Gut gekleidet, leicht geschürzt im anhaltenden Sommer, und je mehr man in die Mitte vordringt, umso zahlreicher. Gehen ins Kino. Ins Restaurant. Ins Konzert. Tanzen. Ins Casino. Sie gehen einfach nur so. Flanieren . Gebrauchen ihre Zeit. Grinsend vor stolzer Freude, weil sie es können. Darius Kopp, etwas hervorstechend mit seinen Sandalen, seinen Bermudas und dem T-Shirt zum
silbernen Köfferchen in der Hand,

Weitere Kostenlose Bücher