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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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und das ist sowieso unwichtig! Kopp war sich sicher, von Kathryn alles erfahren zu können. Sie wird die Erste sein, die ich treffen werde, sie wird mich, ohne dass ich lange nachfragen muss, briefen, und ich werde Bill als einer entgegentreten können, der Bescheid weiß, und das allein zählt. Und Stavridis, Ken und Anthony werden nicht anwesend sein, auch der King wird nicht anwesend sein, Bill wird der Höchstrangige sein, der anwesend ist, möglicherweise ist er mittlerweile President geworden.
    Sie fuhren immer noch zwischen Stahlträgern, wie auf einer endlos langen Brücke oder Highwaykreuzungen, es war nichts zu sehen als die Stahlträger, aber Kopp war es egal, bzw. im Gegenteil, er wünschte gar nicht, mehr zu sehen, womöglich etwas, das seine schöne Schlussfolgerung widerlegt und seine freudige Erleichterung und Erwartung ausgelöscht hätte. Nun konnte er auch zugeben, dass er träumte, das war der günstigste Augenblick, das zu tun, denn so konnte er sich nun auch das zu Nutzen machen. Im Traum ist alles möglich, also auch, an diesem Punkt der Leichtigkeit zu verharren, den Traum hier zu halten, so lange es nötig war. Ich werde das aussitzen.
    Wie lange? Das kann man in einem Traum nicht wissen, vielleicht sehr lange, vielleicht nur einen Augenblick. Irgendwann merkte er, dass er die notwendige Wachheit verlor, dass er wegglitt, auf dem Taxisitz einschlief, und wenn das passiert, landest du wer weiß wo unter welchen Umständen, er wurde unruhig, wehrte sich, erschrak und erwachte.

Der Tag
    Zu diesem Zeitpunkt war Herr Leidl schon seit Stunden auf den Beinen. Er war eher aufgestanden, als die Sonne: um 5 Uhr. Dazu konnte es kommen, weil ihm beneidenswerte 5,5 Stunden Schlaf reichen. Dabei ist er noch nicht alt. Er ist ungefähr in unserem Alter. Herr Leidl wohnt außerhalb - Ein Elektriker, der die Natur liebt! - das Büro ist auch außerhalb, aber woanders, und Querverbindungen sind kompliziert. Man muss etwas in die Stadt hinein- und dann wieder herausfahren: so braucht er 20 Minuten. Nicht die Welt. Um 6:45 Uhr war er definitiv da. Um 7:30, gerade, als er sich auf den Weg machen wollte, um, wie versprochen, Darius Kopp abzuholen, rutschte er bei einer allerletzten, auch später erledigbaren, also für den Moment überflüssigen Handlung - Öffnen eines mit stabilen Plastikbändern zusammengehaltenen Pakets - mit dem Cutter ab und schnitt sich in die Hand. Ein Halbkreis entlang des Daumenballens. Er sah seine Hand, sie war zitronengelb. Mit dieser zitronengelben Hand vor Augen sank er auf den Boden, den Teppichboden, hingeschmolzen, wie man sagt, wie ein Stück Butter in der Sonne. Das Gute an einem Schock ist, dass man kaum blutet. Er starrte in die Wunde, deren Grund dunkel war, schwarzrot, er wunderte sich. Er assoziierte einen Canyon, und dass er jetzt also dort hineinfallen wird, er hatte Angst und war gleichzeitig in freudiger Erwartung: sich fallen zu lassen ist schön. Ich habe mich noch nie im Leben fallen gelassen. Dann kam das Blut, hellrot, das brachte ihn zurück (etwas Bedauern, etwas Erleichterung). Er wurde nicht ohnmächtig, legte nur den Kopf an der Wand ab. Auf der Raufasertapete wuchs eine Glorie aus Schweiß. Die Sekretärin, die um 7:30 anfängt, legte ihm die Beine hoch, umwickelte seine Hand mit einer halben Rolle Küchenpapier, über das sie noch ein Küchenhandtuch
band, da man Papier nicht fest anziehen kann. Dann erst holte sie den Verbandskasten, brach sich beim Öffnen desselben zwei Fingernägel ab, war bis zur Panik unwissend, was zu tun sei, wollte das keinesfalls vor ihrem Chef zugeben, also handelte sie, zwar zitternd und mit klaffenden Nägeln auf dem Mittel- und dem Ringfinger der rechten Hand, doch so, als wüsste sie, was sie tat: Mullrolle, drücken, Mullbinde, wickeln, Beine runter, Arm hoch, Stuhl unter Ellenbogen. Anschließend rief sie Darius Kopp an.
     
    Kopp stand seit 15 Minuten auf der Terrasse, einen Kaffeebecher in der Hand. Dem Traum sei Dank war er früher als sonst auf, also gerade rechtzeitig. Er war auch schnell da, begriff schnell: der Traum ist vorbei, jetzt bin ich wach, und zwar weit weniger orientierungslos als sonst. Im Gegenteil: ernst, aufmerksam, gesammelt. Gut geschärft für diesen Tag. Lass dir das nicht wieder entgleiten, steh auf. Seine Bewegungen im Bad und beim Anziehen waren ökonomisch. Auf den ersten Griff ein gebügeltes, weißes Hemd gefunden, nicht vergilbt, nicht vergraut, Knöpfe vollständig, Nähte unversehrt. Dazu

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