Der einzige Sieg
hin, Schweigepflicht her, ich suche nach Mordverdächtigen. Bekanntlich ermittle ich in einem Mordfall. Was soll also die Schweigepflicht?«
»Nun…«, begann Carl zögernd und warf erneut einen Blick auf den mit unbewegtem Gesicht dasitzenden Jurij Tschiwartschew, »das dürfte nicht so unbegründet sein, wie es scheinen mag. Wir wollen doch dazu beitragen, die Mörder zu schnappen, und darauf ist auch deine Arbeit hier ausgerichtet. Aber jetzt ist es eben so… Wenn wir nämlich auf die Motive der Mörder zu sprechen kommen, wird deine Schweigepflicht zwangsläufig in Kraft treten müssen. Es geht nämlich um das, was geschmuggelt worden ist.«
»Atomwaffen«, bemerkte Rune Jansson lakonisch.
»Du weißt es!« rief Carl bestürzt aus, und Jurij Tschiwartschew wurde aus der Maske des Nicht-Zuhörers gerissen.
»Nee«, erwiderte Rune Jansson. »Kollege Niemi aus Haparanda hatte so eine Idee, aber das war ja nur eine Theorie. Als du dagegen anfingst, mir gegenüber von Schweigepflicht zu reden, und ich jetzt feststelle, daß wir die Ehre haben, von einem General eskortiert zu werden, da… na ja, dann liegt der Schluß wohl recht nahe, oder wie soll ich sagen.«
»Du hast also niemals, in keinem Polizeipapier, das Wort Kernwaffen oder etwas Ähnliches schriftlich hinterlassen?« wollte Carl wissen.
»Nein, für die eigentliche Ermittlungsarbeit waren solche Spekulationen ja nicht besonders sinnvoll. Also darum geht es? Nun, dann kann ich das eine oder andere verstehen.«
»Wie etwa?«
»Einen Mord mit einer so raffinierten Methode; daß man überhaupt einen Mord begeht, um einen Schmuggler zum Schweigen zu bringen. Dann das große Geld und außerdem noch ein paar fabelhaft geschickte Fälschungen.«
»Was denn für Fälschungen?«
»Ja, das ist etwas, was wir in den letzten Tagen herausgefunden haben. Das Schmuggelgut hatte Begleitpapiere von Sandvik-Coromant, in denen die angeblichen Maschinenteile ausführlich bezeichnet wurden, Gewicht, Preis, alles. Und es waren im großen und ganzen echte Papiere. Ich meine, sie waren so geschickt gefälscht, daß sie im Unternehmen selbst hergestellt worden sein müssen.«
»Njet!« schaltete sich Jurij Tschiwartschew ein. »Aber ich glaube zu wissen, wo diese Dinger fabriziert worden sind. Doch das werden spätere Frage.«
»Wie auch immer«, fuhr Carl fort, den der Einwurf seines Kollegen verwirrt hatte. »Was auch immer du im Verlauf der Arbeit erfährst, was nicht mit dem Mordfall zu tun hat, hat etwas mit deiner Schweigepflicht zu tun. Verstehen wir uns?«
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Rune Jansson irritiert. »Ich ermittle also in einem Mordfall. Das ist mein Job, unabhängig von dem, was ihr mit der Sache zu tun zu haben glaubt. Wenn es um Mord geht, soll ich feststellen, wann, wer, wo und wie und auch warum. Und Kernwaffen gehören zum Warum.«
»Ach, so meinst du das«, sagte Carl erleichtert. »Nun ja, ich glaube schon, daß wir uns irgendwie auf eine elegante Weise einigen können, solange wir nur Ergebnisse bekommen. Doch jetzt zum Ablauf der Arbeit, wie wir ihn uns vorstellen, also mit Beginn heute abend.«
Carl erklärte, daß sie zunächst mit dem Einfachsten beginnen wollten, nämlich mit dem Versuch festzustellen, ob sie die Mörder schon am ersten Abend finden könnten. Aber auch wenn es gelinge, die verdächtigen Personen zu ermitteln, wie könne Rune Jansson dann feststellen, ob es die richtigen seien?
»Das dürfte nicht sehr schwer sein«, meinte Rune Jansson.
»Ich habe zwar nur vage Personenbeschreibungen und ein paar Namen, denen ich nachgehen kann, aber es gibt hier doch sicher Telefoto? Dann gibt es nämlich keine Probleme. Die Bilder der Verdächtigen können per Telefoto nach Hause übermittelt werden. Kollege Niemi mischt diese Bilder mit ein paar anderen Porträts und legt sie den beiden verhafteten Fahrern aus Örebro vor. Wenn beide unabhängig voneinander und jeder in seiner Zelle auf dieselben Personen zeigen, ist das Problem gelöst. Sonst weiß ich auch nicht, wie es zu machen ist.«
Der Wagen hatte inzwischen fast unmerklich die eigentliche Stadt erreicht. Eine lange Vorortstraße mit Hochhäusern ging allmählich in etwas über, was mehr wie eine gewöhnliche Stadt mit schlechter Beleuchtung aussah, in der sich erstaunlich viele Fußgänger bewegten. Von Zeit zu Zeit rutschte ein Trolleybus mit abgefahrenen Reifen durch den tiefen Schneematsch. Rune Jansson blickte fasziniert durchs Seitenfenster, und Carl behielt
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