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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Scherz erlaubt hatte: Er hatte ihnen ein Angebot gemacht, das sie unmöglich ablehnen konnten.
    So heilig sind Mahlzeiten, sogar bei uns zu Hause in Mailand, dachte er, als er den Mantel enger um sich zog und übellaunig seine nassen handgenähten Schuhe betrachtete, die da unten im Schneematsch zu ertrinken und um Hilfe zu rufen schienen.

4
    In Murmansk fiel schwerer, nasser Schnee. Es war nicht besonders kalt, aber der Wind erreichte fast schon Sturmstärke und peitschte Carl den Schnee ins Gesicht, als er auf dem Leninskij Prospekt entlangspazierte. Es erstaunte ihn, daß die Hauptstraße immer noch so zu heißen schien. Nur an einigen Stellen waren die Straßenschilder mit alternativen Vorschlägen übermalt worden.
    Es gab nicht sehr viel zu sehen, aber das, was er sah, vermittelte den Eindruck, daß Murmansk nach russischen Verhältnissen weniger arm, weniger grau und weniger heruntergekommen war als andere Städte des früheren Imperiums. Gegenüber dem alten Hauptgebäude des KGB an der Paradestraße lag ein kleiner Park mit einem Standbild Lenins, das keinerlei Spuren von Vandalismus oder Gewalteinwirkung zeigte. Es war nicht einmal bekritzelt, und an der Hausfassade hoch oben auf der anderen Seite des Parks verkündete ein Text in meterhohen Blockbuchstaben, daß der Kommunismus siegen werde. Hier oben gibt es wohl kaum irgendwelche langhaarigen Gitarrenspieler mit dunklen Brillen, stellte Carl ironisch fest.
    Er fühlte sich fast zu Hause, als er die große, öde und mit Steinplatten belegte Halle des Hotels Arktika betrat. Er zog seinen Mantel aus und schüttelte den Schnee ab, als er die rauhe Oberfläche des Granitfußbodens überquerte und Kurs auf die lange Treppe mit dem roten Teppich nahm, die zum Restaurant hinaufführte. Dieser Teppich war vermutlich noch nie gereinigt worden. Sie wollten sich in einer halben Minute treffen.
    Dort oben befanden sich etliche Tische, die von Sofas mit hohen Rückenlehnen umschlossen waren, so daß man vor Einblick geschützt war. Carl erfaßte intuitiv, welche dieser runden Nischen sein Kollege gewählt hatte, ging direkt darauf zu und setzte sich.
    »Die Maschine hat natürlich Verspätung. Wir werden uns noch eine Stunde die Zeit vertreiben müssen«, begrüßte ihn Jurij Tschiwartschew mit einem Kopfnicken. »Bist du einkaufen gewesen?«
    »Ich war im Magazin für die Angestellten der Streitkräfte oben am Leninskij Prospekt, durfte aber nichts kaufen. Sie haben mir nicht abgenommen, daß ich bei den Streitkräften bin«, erwiderte Carl todernst, als wäre die Frage nach dem Einkaufen ernstgemeint gewesen.
    Jurij Tschiwartschew lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Einmal Spion, immer Spion. Du hast es also nicht lassen können«, brummte er, als wäre das Gespräch immer noch ernstgemeint. »Nun, was hast du gefunden?«
    »Man erhält natürlich ein gutes Bild davon, welche Einheiten sich hier oben befinden, wenn man das Angebot an Uniformteilen betrachtet«, grinste Carl. »Ich kann aber nicht sagen, daß ich etwas gesehen habe, was mich überrascht hätte. Möglicherweise gibt es hier oben mehr Marineinfanterie, als ich geglaubt habe.«
    Jurij Tschiwartschew hob sein Mineralwasserglas zu einem Toast.
    »Wenn du etwas wissen willst, ist es einfacher, mich zu fragen«, sagte er mit einer Miene, als hätte ihn Carls Verhalten verletzt. »Aber Scherz beiseite. In welcher Reihenfolge sollen wir jetzt vorgehen?«
    Es ist, als ob ich mit Samuel Ulfsson spreche, dachte Carl, nachdem sie eine Zeitlang diskutiert halten. Beide Parteien waren gelassen und nur an Ergebnissen interessiert. Hier war kein Prestige zu gewinnen, beide brauchten sich nur darum zu bemühen, logisch vorzugehen. Sie waren jetzt ungestört. Kein Politiker blickte ihnen über die Schulter.
    Die Reihenfolge ergab sich folglich mühelos. Sie sollten mit der Frage beginnen, ob die beiden mutmaßlichen Mörder irgendwo in Murmansk zu Hause waren. So konnten sie auf denkbar elegante Weise eine geeignete Beschäftigung für den schwedischen Zivilisten finden, der jetzt wohl gerade mit einer Maschine aus Sankt Petersburg eintraf. Es war ja wichtig, daß die zivile polizeiliche Zusammenarbeit sofort in Gang kam.
    Wenn sie mit diesem ersten Schritt Erfolg hatten, nämlich mit Hilfe der örtlichen Sicherheitspolizei die Mörder aufzuspüren, hatten sie damit schon die wichtigste Forderung erfüllt, was die Wünsche der Politiker nach polizeilicher Zusammenarbeit anging.
    Der nächste Schritt führte dann

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