Der einzige Sieg
vierundzwanzig Stunden wiedersehen«, stellte Samuel Ulfsson fest und machte sich demonstrativ bereit, nach dem sehr langen Arbeitstag nach Hause zu gehen.
Der palästinensische Beduine Abdel Gamal hatte die Expedition so lange dem Sandsturm entgegengetrieben, wie er es überhaupt verantworten konnte. Das Problem waren weniger die Tiere als vielmehr die ungeübten Reisenden. Außerdem mußte er mit äußerster Sorgfalt einen Lagerplatz wählen. Es mußte irgendwo eine windgeschützte Stelle geben, wo sie ihre Zeltbahnen aufspannen und Schutz suchen konnten. Sie mußten einen Platz finden, an dem man schlimmstenfalls eine Woche aushallen konnte, obwohl jetzt Frühling war und der Sturm vermutlich schon recht bald vorbei sein würde.
Seine Kaltblütigkeit bei diesen Entscheidungen war größer, als seine Mitreisenden zu schätzen wußten. Als sie hustend und schnaubend, die Schals notdürftig vors Gesicht gespannt und in dem heißen, trockenen, staubigen Wind halbblind, ihr Lager aufschlugen, waren die meisten wohl der Meinung, sie seien viel zu weit geritten. Sie dachten, dieser Wüstensohn sei unnötig heldenhaft gewesen und habe mit ihrem Leben gespielt, nur um seine arabische Würde, seine stoische Ruhe oder etwas in der Richtung unter Beweis zu stellen.
Doch so war es nicht. Er hatte nämlich erkannt, daß einstweilen die Satellitenüberwachung außer Gefecht gesetzt war und daß es nun um so besser sein würde, je weiter vom Ziel man sie als Beduinenlager entdeckte. Außerdem ging es darum, irgendwo wirksamen Schutz zu finden, und da man nichts sehen konnte, blieb nur eins: Immer geradeaus weiterzureiten, bis irgend etwas auftauchte. Er selbst war der Meinung, Glück gehabt zu haben. Sie hatten bei einer fünfzig Meter hohen senkrechten Felswand angehalten, die leicht überhing und in der Ebene in etwas endete, was fast wie Höhlen aussah. Schon als sie in die Nähe kamen, spürte er, wie der Wind allmählich nachließ. Er hatte schnell dafür gesorgt, daß die Tiere entladen und in Sicherheit gebracht wurden. Sie brauchten jedoch bedeutend weniger Schutz als die Menschen. Dann hatte er alle ermahnt, sorgfältig die Zeltbahnen an der Felswand zu befestigen und darunter Schutz zu suchen.
Carl hatte sich um die beiden Russen gekümmert und sie in eine kleine Höhlung unter der Felswand hinuntergeschubst, bevor er das schützende Gewebe aus schwarzer Ziegenwolle aufspannte und mit einer neuen Wasserflasche in der Hand zu den beiden Gefangenen hinunterkroch. Erst dann riß er sich das schützende Tuch vom Kopf. Alle drei waren sichtlich mitgenommen, erholten sich jedoch schnell, als sie erkannten, daß sie normal atmen konnten. Über ihnen brüllte der Sturm, aber sie saßen im Windschatten im Dunkeln und in spürbarer Geborgenheit.
Es dauerte einige Zeit, bis die beiden Russen sich so weit erholt hatten, daß sie, womit Carl gerechnet hatte, mit ihm sprechen wollten.
»Junger Herr Offizier«, keuchte schließlich einer der beiden.
»Wenn dies unsere Rettung sein soll, von der Sie so schön gesprochen haben, muß ich Ihnen sagen, daß ich mich kritisch dazu stelle.«
»Aber selbstverständlich«, erwiderte Carl lachend. »Heißt es nicht in einem russischen Sprichwort, auf dem Weg zur Erlösung bestehe das Leben aus einer unendlichen Reihe von Mühen?«
»Ja, doch, ungefähr so«, brummte die Stimme in der Dunkelheit zur Antwort.
»Was ist mit unseren Kollegen passiert?« fragte der zweite Russe.
»Die sind tot«, erwiderte Carl mit einem besonders lakonischen russischen Tonfall, den er lange geübt hatte.
Es dauerte eine Weile, bevor einer der anderen sich äußerte.
»Wenn ich Sie aber recht verstehe, Herr Offizier, haben Sie also die Absicht, uns nicht sterben zu lassen?« fragte schließlich eine der Stimmen.
»Ja«, sagte Carl lakonisch. »Wenn Sie sterben, liegt es nur daran, daß Sie sich auf einen Skorpion gesetzt haben. Wenn wir Sie hätten töten wollen, lägen Sie jetzt bei Ihren Kollegen, dann hätten wir Sie bei diesem abenteuerlichen Kamelritt nicht mitgeschleppt.«
»Wir hatten in unserer Basis ein Serum gegen Skorpione«, sagte einer der Russen traurig.
»So etwas haben wir auch dabei«, entgegnete Carl amüsiert.
»Wenn es also in den Hinterteilen der Herren stechen sollte, teilen Sie es mir bitte mit. Übrigens, es ist vielleicht an der Zeit, daß wir uns bekannt machen. Mein Name ist Admiral Hamilton vom militärischen Nachrichtendienst Schwedens. Einer von Ihnen hört auf den
Weitere Kostenlose Bücher