Der einzige Sieg
Einsätze ausgezeichnet worden sei?
In den beiden beteiligten skandinavischen Ländern sahen die großen Fragen der Debatte ein wenig anders aus; sowohl in Finnland wie in Schweden beherrschten anscheinend eher formale Fragen stärker das Bild als im Rest der Welt. In Finnland lautete die große Frage, wieviel der Präsident von der Sache gewußt habe und weshalb es offenbar schwedisches und nicht finnisches Personal gewesen sei, das an der Rettungsoperation teilgenommen hatte.
So hieß es auf finnisch tatsächlich: die Rettungsoperation. Auf schwedisch hieß es nicht so. Auf schwedisch hieß es meist Massenhinrichtung. Hatten schwedische Militärs an einem Massenmord teilgenommen?
Die gesamte Debatte hatte ihren Ursprung in einigen Interviewfragen, die das Nachrichtenprogramm des staatlichen Rundfunks gestellt hatte, kaum daß Boris Jelzins Worte verklungen waren. Dem Chef des militärischen Nachrichtendienstes beim Generalstab in Stockholm wurde eine sehr einfache Frage gestellt, die auch sehr einfach beantwortet werden konnte:
»Haben Angehörige der schwedischen Streitkräfte das Recht, im Ausland Menschen hinzurichten?«
»Nein, niemals.«
»Unter gar keinen Umständen?«
»Hinrichten? Nein, unter gar keinen Umständen.«
Als die Rundfunkreporter sich dem schwedischen Verteidigungsminister Anders Lönnh näherten, war die Antwort natürlich weniger kristallklar:
»Haben Angehörige der schwedischen Streitkräfte Personen in Rußland getötet, wie der russische Präsident behauptet?«
»Es gibt in der ganzen Welt nicht einen Verteidigungsminister, der eine solche Frage beantworten würde. Ihr kennt die Antwort. Kein Kommentar. Dinge, die unsere militärischen Operationen berühren, kann ich weder bestätigen noch dementieren.«
»Bedeutet das, daß du dementierst, was der russische Präsident erzählt hat?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bestätige den russischen Präsidenten nicht, dementiere ihn aber auch nicht.«
Die Frage ging ebenso wie die Antwort mehrmals hin und her, obwohl Frage und Antwort ständig gleich blieben.
Die Beweislage für die Teile der Medien, die einen Prozeß fordern wollten, sowie für die politische Opposition war denkbar gut. Die Angaben in der finnischen Presse nämlich, die zunächst kein Mensch auch nur ansatzweise ernst genommen hatte, da sie ursprünglich aus einem Organ der sogenannten Herrenpresse stammten, und danach nur von der Abendpresse aufgegriffen worden waren, waren inzwischen ja von keinem Geringeren als Boris Jelzin aufgewertet worden.
Und der finnische Bericht, Juha Salonens kaum verhüllte Erzählung, war in gewisser Hinsicht sehr konkret. Juha Salonen hatte berichtet, wie er und rund zehn weitere Schmuggler dreißig Kilometer auf russischem Territorium von Militärs eingekreist worden seien, die er zunächst für Russen gehalten habe. Als er jedoch die Ausrüstung gesehen habe, sei ihm sofort klar gewesen, daß es sich um westliche Militärs handeln müsse. Man habe sie gefangengenommen und verhört, und er habe mit eigenen Augen und aus nächster Nähe miterlebt, wie einer seiner russischen Kameraden erschossen worden sei. Als er weggelaufen sei, habe er Salven gehört und sich umgedreht und noch eine weitere Person in den Schnee fallen sehen. Dann habe er später noch sechs weitere Salven gehört, sei da aber schon zu weit weg gewesen, um etwas zu sehen.
Die Beweislage, die man jetzt allen möglichen Forderungen nach einer gerichtlichen Untersuchung zugrunde legen konnte, Anhörungen vor dem Verfassungsausschuß des Reichstags und so weiter, war also recht gut.
Die sozialdemokratische Kritik hatte sich folglich die amtierende Regierung als erste Zielscheibe auserkoren und war entsprechend formuliert. Es wäre ein Skandal, wenn eine schwedische Regierung irgendeine Form von Massenmord im Ausland gutheiße, und sei es in noch so löblicher Absicht im Zusammenhang mit Kernwaffenschmuggel und anderem. Es wäre jedoch auch ein Skandal, wenn eine Regierung keinerlei Einfluß auf eine militärische Operation von solchem Umfang gehabt habe. Die Angelegenheit müsse folglich auf jeden Fall öffentlich im Reichstag aufgeklärt werden.
Kriminalkommissar Rune Jansson von der Reichsmordkommission hatte ebensowenig wie sein Kollege und Vorgesetzter Willy Svensén während der letzten Tage Zeit gehabt, Zeitungen zu lesen. Sie saßen irgendwo zwischen Sundsvall und Stockholm in einem Zugabteil und dösten. Ihre Unterhaltung war vor rund einer halben Stunde
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