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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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worden war. Blieb die Frage, warum und warum mit solch einer Methode. Rune Jansson war nicht sicher, ob das Rezept des Kollegen Willy, immer auf das Selbstverständliche loszugehen, diesmal sehr hilfreich sein würde. Denn was war hier am selbstverständlichsten?
    Als Carl sein versteckt liegendes Dienstzimmer im Regierungsgebäude Rosenbad betrat, fand er den Schreibtisch mit Akten überladen, die in mehreren Sprachen die Situation in Estland, Lettland und Litauen behandelten. Er hatte das Gefühl, einen schweren und tristen ersten Arbeitstag vor sich zu haben, einen Tag voll mit allerlei Routineangelegenheiten und Papierkrieg. Und genau das gefiel ihm. Er hängte sein Jackett auf, rieb sich ironisch die Hände und setzte sich dann, um die Aktenstapel vorzusortieren.
    Die Angehörigen der Sicherheitspolitischen Analysegruppe, drei Mann, saßen in drei nebeneinanderliegenden Räumen in der hinteren und weniger prestigeträchtigen Abteilung von Rosenbad. Die beiden anderen waren Experten für das Baltikum und Finnland, ein Professor und ein Botschafter, die Carl noch nicht näher kennengelernt hatte. Seine eigene Funktion, soweit er sie selbst deutete, bestand darin, die Analysen der beiden zivilen Experten mit harten Daten aus den verschiedenen Abteilungen des Nachrichtendienstes zu untermauern; in der Sprache von Zivilisten konnte man ruhig von einer »Analysegruppe« sprechen, im Jargon von Militärs würde die Abteilung Nachrichteneinheit heißen.
    Es war unzweifelhaft, worauf gerade diese Nachrichteneinheit ausgerichtet war. Die Papierstapel vor Carl sprachen da eine deutliche Sprache. Die Kontakte mit der NATO und den USA liefen über das Außenministerium, aber das »Östliche Theater«, wie Carl das Tätigkeitsfeld der Analysegruppe mit einem scherzhaften russischen Begriff getauft hatte, sollte in direkter Anbindung an die Kanzlei des Ministerpräsidenten bearbeitet werden. Carl hatte nichts dagegen einzuwenden. Soweit er es selbst beurteilen konnte, war der Bedarf an nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über das »Östliche Theater« bedeutend größer als alles andere, was für Schweden von Interesse sein konnte: Da gab es das Risiko von Bürgerkriegen, die Konsequenzen von Flüchtlingsströmen auf der Ostsee, das große, jeder Kontrolle entzogene konventionelle Arsenal auf der anderen Seite (Kernwaffen befanden sich vermutlich nur noch in Kaliningrad), der Schmuggel strategisch wichtiger Metalle, die Gefahr, daß das Gangstertum des russischen Imperiums den Weg über die Ostsee finden würde. Es gab also allerlei Kleinigkeiten zu bearbeiten, wenn es um denkbare Szenarien ging, die im Verlauf von Tagen oder schlimmstenfalls Stunden den Einsatz schwedischer Streitkräfte erfordern und damit eine politische Krise auslösen konnten.
    Als er einen dickleibigen Bericht über den Ölbedarf des kommenden Winters in Estland beiseite räumte – der Inhalt würde ihn kaum überraschen –, entdeckte er eine Kunststoffmappe mit Zeitungsausschnitten, die ihn in höchstem Maße selbst betrafen. Überall sah er Fotos von sich. Die Sekretärin der Abteilung hatte einen handgeschriebenen gelben Zettel an den Ausschnitten befestigt, auf dem es hieß, »Carl – rate vorläufig von allen Stellungnahmen ab«. Damit war der andere Carl gemeint, nämlich der Ministerpräsident, aber die Zweideutigkeit der Mitteilung ließ Carl zustimmend nicken: Ja, Carl rät ganz entschieden von irgendwelchen Äußerungen ab.
    Er überflog die Zeitungsausschnitte. Es schien die alte Leier bei schwedischen Journalisten zu sein: Die Hauptsache ertrank in verschiedenen moralisierenden Forderungen nach dem Rücktritt verschiedener Minister und seiner, Carls, Entlassung. Er starrte eine Weile auf die Schlagzeile »MASSENMÖR- DER?« über einem Foto von sich und wappnete sich dann, um den Text, der die Anschuldigung erklärte, ruhig und methodisch zu lesen. Als erstes fiel ihm auf, daß die Argumentation sachlich korrekt zu sein schien, was die juristischen und moralischen Aspekte betraf. Dennoch war es reine Theorie. Es würde nie einen Prozeß geben. Nur Verlierer werden vor Gericht gestellt.
    Die zweite Beobachtung war einfacher und konkreter. Er verglich schnell mit anderen Zeitungsausschnitten in dem Stapel. Ja, es schien zu stimmen. Die Journalisten hatten keine Ahnung davon, wie viele Schweden da oben beteiligt gewesen waren, wie viele Menschen getötet worden waren, und vor allem wußten sie nicht, was mit den Toten geschehen war. Carl

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