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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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auch das Widrige, einfach aus Überdruß!
    »Mutti hat geweint, Heinz!« Und: »Er hat uns ’ne Peitsche mitgebracht, Mutti!«
    Kindertrauer und Kinderfreude durcheinander, aber die Trauer ist schon fast vergessen, die Peitsche ist da, nun wird Mutti sich doch auch freuen? Der Ältere, Gustav, wirft einen Blick auf die Mutter …
    »Mutti hat geweint, Heinz«, sagt er noch einmal, mit Nachdruck. Und nun, da er seine Pflicht getan, die Tränen der Großen dem Trost der Großen überlassen hat, widmet er sich mit dem Bruder ganz der Untersuchung der Peitsche …
    »Nanu?« fragt Heinz. »Du hast geweint? Was war denn, Tutti?«
    »Nichts. Wirklich nichts. Geht auf den Vorplatz, Gustav, Ottchen, hier könnt ihr nicht mit der Peitsche hauen. – Nein, bleibt doch hier …!« Ihr ist eingefallen, daß es besser ist, die Kinder hier zu haben. Aber schon findet sie es feige, sich hinter den Kindern zu verstecken, und sie sagt gereizt: »Also geht schon raus! Ihr schlagt mir hier was kaputt! Und daß ihr mir nicht knallt!«
    »Halt!« sagt Heinz zu den Kindern, die abziehen wollen. »Von wem kommt die Peitsche?«
    »Das kann man nicht raten«, erklärt Otto.
    »Laß die Kinder schon gehen, dein Essen wird kalt.«
    »Einen Augenblick, Tutti. Du wirst dich auch freuen. Also von wem? Versucht mal.«
    »Wenn du von der Bank kommst …«
    »Ja, wenn!«
    »Kommste denn nicht von der Bank, Heinz?«
    »Wenn ich dir das sage, ist’s zu leicht.«
    »Heinz, dein Essen wird kalt …«
    »Was ist denn das für ’ne Peitsche? Sieh sie dir doch mal an, Gustav!«
    »Ja, Heinz …«
    »Aus einem Laden!«
    »Eben nicht, Otto. Sieh sie an, Gustav!«
    »Ich weiß! Ich weiß!«
    »Ick weeß ooch …«
    »Auch, nicht ooch. Ottchen. Die Suppe …«
    »Was weißt du also …?«
    »Vom Großvater!«
    »Jawohl, die hat der älteste Droschkenkutscher von Berlin für euch gemacht, extra für euch! Der eiserne Gustav …«
    »Kommt er bald mal? Ich will Droschke fahren!«
    »Immer gleich noch was! Raus! Freut euch über die Peitsche. Nachher nimmst du Putzzeug, Gustav, und putzt den Griff ein bißchen. Großvater hatte keine Zeit mehr dazu. Also los, raus!«
    »Gibst du uns nachher einen Lappen zum Putzen, Mutti?«
    »Gibt sie! Raus! – Was ist, Tutti?«
    »Nichts. Bestimmt nichts. – Bitte, iß jetzt.«
    »Aber ich sehe doch, du hast was! Bist du böse auf mich?«
    »Du sollst jetzt nur essen!«
    »Also bist du böse auf mich. Warum?«
    »Bitte, iß, Heinz!«
    »Nicht, ehe du gesagt hast …«
    »Nichts, nichts sage ich! Du sollst essen! Hörst du nicht?!«
    »Aber was in aller Welt ist denn los, Tutti?«fragt er ganz verblüfft. Er hat schon Frauenlaunen kennengelernt, bei den Kolleginnen auf der Bank, bei Irma – am meisten bei Tinette. Und er müßte eigentlich aus der Erfahrung wissen, daß eine Frau in diesem Nichts-Sage-Zustand störrischer als ein Maulesel ist, daß alles Fragen und Drängen sie nur widerspenstiger macht. Aber nein, er erklärt mit Entschiedenheit: »Ich esse nicht eher einen Bissen, bis du mir gesagt hast, was los ist, Tutti.«
    Und sie ganz flammend: »Ißt du jetzt, oder soll ich wegräumen?«
    Bittend: »Tutti, sag doch, was los ist!«
    »Also jetzt räume ich ab!«
    Fast hilfeflehend sieht sie ihn an. Hierzu hat es nie kommen sollen. Sie fühlt: Sie macht es ganz falsch. Wenn er doch wenigstens essen würde! Er muß doch sein Essen haben! Das Abräumen könnte er ihr doch ersparen!
    Aber nein, er erspart ihr nichts. Gar nichts. »Bitte! Räume ab, ich habe keine Lust mehr zu essen.«
    Und sie räumt ab, den Tod im Herzen. Von der Arbeit heimgekommen, nein, eben nicht von der Arbeit heimgekommen, aber ohne Essen – und nicht essen, es ist zum Verzweifeln! Und dabei ist noch kein Wort von dem gesprochen, was sie ihm wirklich vorzuwerfen hat; tatsächlich sind sie über »nichts« in Streit geraten; wie soll das erst werden, wenn sie von seinen Lügen redet …?!
    Immerhin stellt sie das Essen nicht ganz fort, sie stellt es so, daß sie es sofort griffbereit hat. Sie hofft, daß er doch noch essen wird … Ordnung ist, daß man nicht ungegessenins Bett geht, es sind noch vier Stunden bis zur Schlafenszeit, er muß in dieser Zeit noch essen! Wie einem ungezogenen Kinde möchte sie ihm das Essen einlöffeln …!
    Das ungezogene Kind wuselt in der Küche herum, faßt dies und jenes an und stellt es gleich wieder fort. Sieht auf dem Schuhschränkchen nach Briefen – es sind aber keine da, denn den einen Brief hat sie von

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