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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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die Nägel zu schneiden.
    Gustav versichert hartnäckig, daß heute nicht der wöchentliche Nägelschneidetag sei, sondern erst morgen. Aber solche Rechthaberei und Dickköpfigkeit macht sie ganz zornig: »Auf der Stelle gehst du und schneidest ihm die Nägel! Du hast zu tun, was ich dir sage, Rechthaberei ist sehr häßlich!«
    Es war aber gar nicht Heinz auf der Treppe gewesen, und so hatte Gustav umsonst den Schauer aus der mütterlichen Gewitterwolke ertragen müssen. Erst hätte sie sich ohrfeigen mögen, dann aber tröstete sie sich: Es ist ihm nur gut, wenn er gehorchen lernt, auch dann, wenn er den Sinn des Befehls nicht versteht!
    Aber die Ohrfeigenstimmung überwog. Sie kam Heinz insofern zugute, als sie ihm einen kleinen Schritt entgegen tat. Sie nahm aus dem Handtäschchen den Erbschaftsbrief und legte ihn sichtbar auf das Schuhschränkchen. Das gab einen Anknüpfungspunkt. Und wenn er aus bloßem Trotz nicht darauf einging, dann gab sie ihn verloren – für immer und ewig!
    Kurz vor sieben kam Heinz, die Backen frisch gerötet von der Kälte, völlig harmlos tuend. Eifrig unterhielt er sich mit dem Neffen erst über die Peitsche, dann über die Ruhrbesetzung, die auch die englischen Kronjuristen jetzt für ungesetzlicherklärt hatten. Die Mark war daraufhin etwas kräftiger gekommen …
    Und, über den Tisch weg: »Ich habe noch schnell eingekauft, was zu kriegen war. Wir auf der Bank denken nämlich, die Franzosen geben doch nicht nach. Da wird die Mark wieder fallen. Zwei Zentner Briketts sind auch im Keller.«
    »Danke«, sagte sie. »Die Briketts hätten schon noch gereicht …«
    Und sie hätte sich wiederum ohrfeigen mögen, denn erstens stimmte ihre Behauptung nicht, und zweitens konnte sie den Kriegszustand nur verschlimmern. Bei dieser Glätte zwei Zentner Briketts aus der Kohlenhandlung in den Keller zu schleppen, war allerhand Leistung!
    Heinz reagierte bloß mit einem erstaunten Achselzucken auf diesen Dank, holte sich ein Buch aus der Stube (wobei er ganz unnötig lange mit Ottchen flüsterte, der doch schon längst schlafen sollte), setzte sich an den Tisch und fing an zu lesen.
    Stille herrschte – durch nichts unterbrochen, bis es halb acht wurde. Um halb acht klappte Gustav sein Buch zu, sagte gute Nacht und verschwand. Zwei Minuten später stand Gertrud auf, ging an das Schuhschränkchen, im Angesicht des allerdings lesenden Heinz, knitterte, da er nicht hochsehen wollte, herausfordernd mit dem Schreiben des Amtsgerichts in Bergen und verschwand dann, unter Zurücklassung des Briefes, um sich nebenan davon zu überzeugen, daß der Bengel sich auch ordentlich wusch.
    Ihr erster Blick, als sie zehn Minuten später in die Küche zurückkam, galt dem Schwager, der zweite dem Brief. Der Schwager las wie vorher, der Brief lag auch wie vorher.
    Mit einem Gefühl der Vernichtung setzte sie sich an ihre Näherei. Bis zum Schlafengehen lagen noch zwei Stunden vor ihnen, aber sie war fest überzeugt, nach so viel Entgegenkommen war sie jetzt nicht mehr fähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Verstritten sollten sie schlafen gehen! Und warum verstritten? Wegen nichts! (Sie war jetzt völlig davonüberzeugt, daß alles »nichts« gewesen war.) Und er hatte zwei Zentner Briketts in den Keller geschleppt! Und an Kokosfett hatte er auch gedacht! Es war ein Jammer!
    Viertelstunde um Viertelstunde verstrich in völligem Schweigen. Sie hatte das Gesicht des Lesenden nahe vor sich, ab und zu knisterte die Buchseite. Er tat nicht etwa nur so, als ob er las, er las wirklich! Etwa alle halben Stunden stand er auf und ging hinaus auf den Treppenflur. Er tat es auch heute nicht anders, er rauchte nie in der Küche, zum Rauchen ging er ins Treppenhaus, damit sie nicht in der verqualmten Küche schlafen mußte! Das war eigentlich rücksichtsvoll, aber heute war es nicht rücksichtsvoll, sondern bloß Angewohnheit. Sie war – beinahe – fest davon überzeugt, daß er, wäre er nur daraufgekommen, heute gerade ihr zum Ärger in der Küche rauchen würde!
    Als es neun vorbei war, wurde ihr immer angstvoller zumute. Nur noch fünfundzwanzig Minuten! Sie war noch nie mit einer solchen Last auf der Seele schlafen gegangen, und sie mußte sich noch mit ihm aussprechen! Aber er war völlig verbockt!
    Zehn Minuten vor halb zehn ging Heinz ein letztes Mal auf die Treppe, um wie immer seine Schlußzigarette zu rauchen. In der Zeit, die er draußen war, überwand sie sich, heroisch: Sie gab noch einmal

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