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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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schrecklich schmutzig vor!« sagte er verzweifelt.
    »Schmutzig – jawohl«, polterte der Bullenbeißer. »Alle Halbheit ist schmutzig, da haben Sie recht. Was schlecht ist, ist schlecht – und mit Halbheit kommt man darüber nicht fort. – Und nun gehen Sie am besten nach Haus – und essen was, Sie sehen völlig käsig aus. – Nein, Sie sollen gar nicht telefonieren müssen, glauben Sie, ich brauche Sie für solche Witzchen?! Ich wollte nur mal sehen, was Sie für ein Mensch sind. Na, denn adjüs, es ist noch nicht alle Hoffnung verloren, daß Sie eines Tages ein Mann werden. Adjüs, ich habe zu tun, ich bin kein Erzieher!«
    Aber vielleicht war er das doch, diese Bulldogge!

11

    Er hatte wirklich viel um die Ohren, der junge Heinz Hackendahl, in diesen Tagen. Aber bei allem, was er tat, hallte ihm die polternde Stimme des rotgesichtigen Dicken nach. Er vergaß sie nicht gleich wieder, sie machte ihn fester.
    Es kam sehr schnell die Stunde, da er seiner jungen Frau erzählen mußte, daß es vorbei war mit der schönen Stelle bei Hoppe & Cie. Er mußte es ihr erzählen, denn die dicken Überschriften in den Zeitungen hätten es ihr doch verraten. »Hunderte von Sparern um alles betrogen«, hieß es da. »Petroleum und Totalisator« – »Geistliche, die Wucherzinsen nehmen« – »Hoppes Pechsträhne« usw. usw. Erzählen also mußte er es ihr. Aber er hätte ihr nicht von seinem Anteil an diesem Zusammenbruch erzählen müssen, und doch tat er es. Weil ihm immer noch jene Stimme im Ohr gellte.
    »Ich habe es eben tun müssen, Irma. Von dem Augenblick an, wo ich Erich sah, mußte ich es tun.«
    Und wie es fast immer bei Frauen ist, sie nahm es ganz anders, als er erwartete. »Es wird schon irgendwie gehen«, sagte sie. »Bei den anderen geht es ja auch.«
    Nein, keine Vorwürfe.
    Und auch der Vater nahm es anders, als erwartet. Heinzsuchte ihn abends auf, wieder saß der Vater im Stall beim Rappen …
    »Sophie will mir ’nen andern Zossen koofen, meiner sieht ihr nich schön jenug aus«, sagte der Alte. »Aber ick weeß nich, ick bin so an ihn jewöhnt. – Na, dein Laden is nu wirklich jeplatzt, wat?«
    Jetzt hätte Heinz sich wiederum drücken können, ohne jene Stimme, denn von einem Erich Hackendahl hatte bisher nichts in den Zeitungen gestanden. Und wenn er dem Vater doch alles erzählte, so tat er es, weil er die Stimme noch hörte, weil ihm richtig schien, was die von Halbheit gesagt hatte.
    »Ja so«, sagte der Alte. »Hastes also doch jesagt! Na ja, halb und halb ha’ick mir det schon so jedacht. Du kannst eben ooch nich aus deine Pelle. Ick nich und du ooch nich. Det is, wat einem so schwer injeht, det der andere ooch seine Pelle für sich apart hat. Man denkt immer: Der muß doch in dieselbe Pelle stecken wie du, is doch ooch bloß Menschenpelle. Und dabei is se janz anders.«
    Aber als Heinz schon an der Stalltür stand, rief der Alte noch: »Du, Heinz – von Erich weeßte also nischt?«
    »Nein, Vater!«
    »Na denn hau ab! Aber wenn de wat hörst, sagste es mir jleich. Bloß keene halbe Sachen, det de denkst, du mußt mir schonen von wejen dem, wat ick damals jesagt habe. Halbe Sachen sind Schruz!«
    Gedankenvoll ging Heinz und überlegte, wie seltsam das war, daß zwei so verschiedene Menschen wie der Kriminalrat und der alte Droschkenkutscher die gleichen Ansichten über Halbheit hatten …
    Aber er mußte weiter, er hatte keine Zeit, viel stille zu stehen. Da waren die Besuche bei Irma und dem Kind, das ein Sohn geworden war; einem fernen, halbvergessenen Bruder zum Gedächtnis und einer nahen Schwägerin zur Freude war es Otto genannt worden. Aber diese Krankenbesuche hörten bald auf; nach den offiziellen acht Tagen kehrte Irma wieder zurück in die kleine Wohnung.
    Nun wohnten sie da zu dreien und fingen an, sich einzurichten zu dreien und sich einzugewöhnen zu dreien. Das war manchmal nicht so einfach, es war ein ganz anderes Leben, als es zu zweien gewesen war. Aber das lernte sich …
    Was sich gar nicht lernen ließ, das waren die täglichen Wege zur Stempelstelle. Von dort kam er immer wieder traurig und müde und oft auch böse zurück. Im Grunde war es eine einfache Sache, Millionen hatten es mit ihm alle Tage (und später zweimal wöchentlich) zu erledigen: Man ging auf ein Büro und hielt eine Karte hin. Auf die Karte wurde ein Stempel gedrückt, zum Beweis dessen, daß man sie hingehalten, und dann konnte man wieder gehen … Und einmal wöchentlich gab es Geld. Wirklich eine

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