Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
geschafft? Sie sind doch der eisernste Gustav von ganz Berlin!«

11

    Die Droschke mit dem alten Droschkenkutscher fährt durch Deutschland. Und je weiter das Jahr vorrückt, aus dem nassen, kalten, stürmischen April der warme, sonnige, heitere Maimonat wird, je weiter der Wagen sich von Berlin entfernt, die kargeren, ernsteren Gefilde der Mark verläßt, je mehr er über die Provinzen Sachsen und Hannover sich den fröhlichen Rheinlanden nähert – um so stürmischer, um so begeisterter werden die Empfänge.
    In Magdeburg noch ist es nur eine Rekordfahrt: Ein Kilometerzähler wird gestiftet und eingebaut in die Droschke, damit die Dauer der Rekordfahrt auch genau zu bemessen sei. Und der Rekordfahrer, der alte Hackendahl, grübelt nur darüber, ob Grasmus die Fahrt auch aushalten wird. Er ist oft schlapp, der Grasmus; die Dorfställe, in denen er die Nächte gemeinsam mit Kühen oder Schweinen zu verbringen hat, gefallen ihm nicht. »Der Zosse muß sich doch wälzen können, meine Herren!« sagt Hackendahl vorwurfsvoll.
    In Hannover noch ist es immer nur eine Sorgenfahrt: Sturm und Regen haben den alten Mann durchkältet, durchnäßt. Werde ich es durchhalten? ist jetzt seine heimliche Sorge. Und die neue Stiftung, ein Gummimantel, wird dankbar begrüßt.
    Aber aus dem April wird der Mai, Dortmund und Köln nahen, die Menschen werden aufgeschlossener, fröhlicher – und aus der Rekordfahrt, aus der Sorgenfahrt wird ein fröhlicher, lachender, begeisterter Triumphzug!
    Nun gehen am Tage vorher schon die Gemeindediener durchs Dorf, sie schwingen ihre Glocke, sie rufen aus: »Morgen kommt der Berliner Droschkenkutscher auf seiner Fahrt nach Paris durch. Empfangt ihn, begrüßt ihn, ehrt ihn!«
    Und sie empfangen ihn, begrüßen ihn, ehren ihn! An diesem Durchfahrtstage zieht kein Bauer mit seinem Gespann zu Felde, die Schule fällt aus, geschlossen stehen die Klassen mit ihren Lehrern am Weg, Fahnen wehen, kleine Mädchen halten Sträuße bereit und wiederholen angstvoll die Verschen, mit denen sie den fremden alten Reisenden begrüßen sollen.
    Und dann kommt der alte Mann. Verstaubt, aber mit vielen Fahnen und Blumen geziert, zockelt die Droschke durch das Dorf. Der alte Mann sitzt oben, sie winken ihm zu, sie jubeln ihm zu. Die Verschen werden aufgesagt, es gibt Willkommtrünke, Steigbügeltrünke – und das Dorf fühlt sich hochgeehrt, wo der Alte vom Bock steigt und seine Mahlzeit im Dorfkrug nimmt, während der Braune, vor der Tür an einen Ring gebunden, immer reichlichere Hafermahlzeiten abhält.Sie ersinnen sich besondere Geschenke für den Kutscher, sie können sich nicht genugtun mit Überraschungen für ihn: Hier wird, während er drinnen ißt, draußen sein Wagen von dem würdigsten Bauern des Dorfes durchgeschmiert, dort beschlagen sie ihm vor der Schmiede seinen Grasmus neu!
    Und wie die Dörfer, so die Städte! Hackendahls Einzüge in Dortmund, in Köln gleichen den Triumphzügen eines siegreichen Feldherrn. Von heute auf morgen ist aus dem unbekannten Droschkenkutscher eine fast sagenhafte Figur geworden, von der jedes Wort belacht, jedes Geschichtchen weitererzählt wird. In der Stadt Dortmund sind hundertfünfzigtausend Menschen zu seinem Empfange bereit, die ganze Schupo ist auf den Beinen, die Durchfahrt zu regeln, und doch kommt der Verkehr zum Erliegen. Kopf an Kopf stehen die Menschen, den Durchfahrenden zu sehen. Das Fernamt stellt für zwei Minuten den Telefonverkehr ein, damit all seine Damen doch wenigstens aus dem Fenster den alten Mann sehen können. Sämtliche Pferdedroschken der Stadt geben ihm das Ehrengeleit. Die Fuhrherreninnung veranstaltet Ehrentrünke. Vor den Gastwirtschaften stehen die Wirte und halten überschäumende Biergläser für ihn bereit oder Humpen voll Wein. In seine Droschke werden Geschenke gehäuft: Zigarren, Wein, Likör, aber auch Lebensmittel, Räder von Käse, Tönnchen mit Heringen. Die Sträuße füllen den Fond. Ein listiger Ehrgeiziger zieht im letzten Augenblick ein Tau über die Straße, damit der Parisfahrer vor seinem Hause auch bestimmt halten muß!
    Der alte Hackendahl zeigt sich all dem gewachsen. Staunend sieht Grundeis auf seine Schöpfung, Grundeis, der Erfolgreiche, der seiner Zeitung nicht genug Artikel über diese Siegesfahrt liefern kann, Grundeis sieht staunend auf einen noch viel Erfolgreicheren. Solche Begeisterung hätte er nie, auch in seinen kühnsten Träumen nicht, erwartet.
    Aber auch nicht solche Sicherheit des alten Mannes. Er

Weitere Kostenlose Bücher