Der Eiserne König
krabbelten über die Rüstung des Königs, als würden sie den Wegen seiner Gedanken folgen. Schließlich murmelte er: »Das tut nichts zur Sache. Die Gografen sind am Ende. Pinafor ist bald in unserer Hand. Wir müssen kein Gold mehr zu Stroh spinnen. Und sorge dich nicht um deine Schwestern, sondern lebe.« Er lachte meckernd.
»Ja, Herr«, sagte Barbera. Nachdem sie ihren Kopf wieder in seinen Schoß gebettet hatte, lüpfte sie den Schleier und warf Grimm einen neckischen Blick zu.
»Ich werde mich mit meinem … Weib zurückziehen, wenn Ihr erlaubt«, sagte Blaubart zum Eisernen König.
Dieser bekundete seine Zustimmung. »Morgen«, murmelte er, »wird die Streitmacht aufbrechen, um das Heer der Gografen zu vernichten.«
Blaubart knallte die Hacken zusammen und reckte die rechte Faust. »Zu Befehl!«, brüllte er. Dann packte er Barbera beim Handgelenk und zog sie auf die Beine.
»Schlunzige Bockse«, murmelte Grimm, sackte auf den Stuhl und ließ seine Stirn auf die Fäuste fallen. Als er aufsah, bildete er sich ein, dass die Krieger im Schlaf über ihn grinsten; dass ihn die Gestalten auf den Deckengemälden des Saals auslachten; dass ihn der Eiserne König voller Spott betrachtete; dass man ihn für einen Trottel und Versager hielt. Da wurde ihm bewusst, dass Barbera ihn benutzt hatte. Ja, sie hatte ihn benutzt wie eine von ihr selbst geschaffene Puppe, die sie nun, da sie nutzlos geworden war, wegwarf. Sie warf ihn einfach weg! Seine Nasenflügel bebten, sein Körper zitterte, seine Stirn glühte, seine Zähne klackten. Wäre er doch tot! Denn Barbera hatte ihn nur zum Leben erweckt, um ihn zu demütigen. Er wandte sich zu Blaubart um, der lachend einen Arm um Barberas Taille legte. Grimm zog die Nase hoch und rotzte auf den Boden. Dann erhob er sich wankend, ging zu der Platte, auf der Kopf, Gerippe und Spiel eines Fasans lagen, und griff nach dem Bratspieß. Er wog ihn in der Hand. Er sah zum Eisernen König, der zu sinnieren, zu dämmern oder zu träumen schien. Er schaute zu Blaubart, der Barbera aus dem Rittersaal führte. Er ließ den Blick über die schlafenden Krieger und Karontiden gleiten. Er setzte sich in Bewegung.
Grimm hatte das Gefühl, auf Wolken zu laufen. Er schwebte dahin, angetrieben von Demütigung, Wut und Selbsthass. Warum hatte er sich so ausnutzen lassen? Er wich den Schlafenden aus wie ein Tänzer, glitt über Bierlachen und Erbrochenes, segelte über Humpen und Flaschen, umschiffte Tische und Stühle. Die Kehrweiber drückten den Reiserbesen ängstlich gegen ihre Brust und traten zurück. Drei Schritte hinter Blaubart, der kichernd mit Barbera tändelte, holte Grimm mit dem Bratspieß aus.
Und rammte ihn seinem Nebenbuhler in den Rücken.
Blaubart drehte sich schwankend um. Er starrte zuerst Grimm und danach den aus seinem Brustkorb ragenden Bratspieß an. Dann sank er zu Boden. Barbera warf sich auf ihn und leckte seine Wunde; als sie den Kopf hob, waren ihre Lippen voller Blut. Der Eiserne König schrie gellend auf und schnippte mit den Fingern – Grimm wurde von einer unsichtbaren Kraft gegen die Wand geschleudert. Als er wieder auf die Beine kam, waren Krieger und Karontiden erwacht und rannten in ihrer Verwirrung kreuz und quer durch den Saal. Barbera leckte immer noch die Wunde des röchelnden Blaubarts. Als Grimm sich an ihr vorbeistahl, schickte sie ihm einen Blick, in dem Tod und Verderben lagen, und bei diesem Blick fiel ihm etwas ein. Er flüsterte: »Das Mädchen mit den grünen Augen …«, und floh. Er stieß drei Kultknechte um, die kurz vor der Treppe wissen wollten, was los war, rannte aus dem Schloss und quer über den Hof zu dem Stall, in dem sein Rappe stand. Dort hatte er endlich das Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er sattelte sein Ross und ritt aus der Feste, bevor man begriffen hatte, was geschehen war. Im Lager der von ihm befehligten Nachhut ließ er sich Schwert, Schild und Helm geben und erklärte: »Wir rücken morgen aus. Ich soll auf Erkundung reiten.«
»Allein?«, fragte der Proviantmeister erstaunt.
»Befehl von Blaubart«, erwiderte Grimm, wobei er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte, und gab seinem Rappen die Sporen.
Kurz darauf galoppierte er über die Felder Flutwiddes nach Osten.
Die Gografen hatten den Aufbruch befohlen. Nicht, weil sie gewusst hätten, wie der Feind zu besiegen wäre, sondern weil die Untätigkeit an den Nerven zehrte. Alles war besser, als in Rottland auf den Angriff der
Weitere Kostenlose Bücher