Der Eiserne König
Kunz, dann Sanne an. Er murmelte: »
Haare
?«, nahm eines und biss hinein. »Wahrhaftig«, sagte er. »Gold …« Er begann, ein Bier zu zapfen, aber sein Blick verriet, dass sein Argwohn nicht kleiner, sondern größer geworden war.
»Mein Weib hat Haare auf den Zähnen«, lallte der Bauer. »Ich wünschte, sie wären auch aus Gold!«
»Wir haben Gold genug«, sagte sein Nachbar.
»Und woher?«, fragte Sneewitt scharf. Sie sah sich in der Schenke um. In einer Ecke spielte jemand Dudelsack, der von der Hüfte aufwärts die Gestalt eines Igels hatte. Die an der Theke stehenden Dorfleute gaben keine Antwort.
»Können wir hier übernachten?«, fragte Hans den Wirt.
»Ja«, sagte der. »Im Stall. Auf Heu. Stroh gibt es nicht mehr.«
»Dann sollten die Bauern in Flutwidde endlich ihr Getreide mähen«, erwiderte Hardt.
Der Wirt brummte etwas Unverständliches. Er zapfte für alle Gefährten ein Bier. »Wohl bekomm’s«, sagte er und wischte sich die Hände an der Schürze ab.
»Lass uns verschwinden«, flüsterte Sneewitt Hans zu. »Hier gefällt es mir nicht. Diese Leute sind feindselig.«
»Erst trinken wir aus«, sagte Hans.
Die Schenke war von Gerede und Gelächer erfüllt. Nachdem die sechs Gefährten ihre Humpen geleert hatten, nickten sie dem Wirt zu und wollten gehen. Aber vor der Tür stellten sich ihnen die Burschen in den Weg. Ihr Anführer, ein Bär von Mann mit Brustmuskeln, die sich unter dem Wams abzeichneten, und Oberarmen, dick wie junge Bäume, sagte: »He, Gesindel! Wir mögen hier keine Fremden.«
»Ich schätze, ihr mögt niemanden«, erwiderte Sneewitt und kräuselte die Oberlippe.
Der Bursche musterte sie mit kaltem Blick. »Ja. Und Hexen schon gar nicht«, sagte er und zeigte drohend auf Sanne.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Hans. »Sie ist keine Hexe.«
»Wenn ihr frech werdet, haltet ihr Hochzeit mit des Seilers Tochter!«, pöbelte einer der Burschen.
Die anderen lachten.
Hans wollte es nicht auf einen Streit ankommen lassen, denn das Gefecht im Auwald steckte ihnen noch in den Knochen, und diese Grobiane waren zu zehnt. In der Schankstube, einem langen, niedrigen Raum mit rußigen Deckenbalken, trat Stille ein. Die Gäste drehten sich wieder nach ihnen um. Der Dudelsackspieler blies ein paar letzte, schiefe Töne und verstummte. Hinten im Kamin knackten die Scheite.
»Lasst uns durch«, sagte Hans und sah dem Anführer in die Schweinsäuglein. »Morgen früh verlassen wir euch.«
»Oh, das wäre aber jammerschade«, höhnte ein Bursche.
Ein anderer packte Sanne bei den Haaren und brüllte: »Los, wir scheren die Hexe kahl!«
Sanne wollte eine Sichel ziehen, war aber zu geschwächt. Sie spuckte dem nächstbesten Burschen ins Gesicht; ihr Speichel verwandelte sich im Flug in Silber und traf den Kerl genau ins Auge. Er schrie auf. Kunz wollte ihr zu Hilfe eilen, aber ein anderer Bursche schlug ihn gegen die Brust. Seine Wunde begann wieder zu bluten, und er krümmte sich stöhnend.
Die anderen Gäste sahen tatenlos zu. Einige grinsten. Der Wirt polierte ein Bierglas.
»Lasst uns durch«, wiederholte Hans.
»Das heißt ›bitte, bitte‹«, erwiderte der Anführer. Er packte Hans mit einer mächtigen Faust beim Schlafittchen. »Na? Sag schon – wie heißt das?«
Sneewitt, die ihre Waffen draußen gelassen hatte, bebte vor Zorn.
»Lass ihn los, du Dreckskerl!« Das war Hardt.
Der Anführer stieß Hans fort und wandte sich dem schmalen, zerlumpten Hardt zu. »Was willst du, Vogelscheuche? Noch ein Wort, und ich schlage dich zu Brei!«
»Hunde, die bellen, beißen nicht«, erwiderte Hardt.
Der Anführer der Burschen stapfte knurrend auf ihn zu.
Hardt zog den Sack von seiner Schulter, öffnete ihn und rief: »Knüppelsackattack!«
Im nächsten Moment sauste ein blanker Eichenknüppel aus dem Sack und schlug den wütenden Hünen gegen die Stirn. Der brach zusammen. Seinen Kumpanen entwich ein Ächzen. Sie mussten mitansehen, wie der Knüppel auf dem Rücken ihres Anführers tanzte, bis sich dieser nicht mehr regte. Dann sauste er auf sie zu und drosch sie durch, bis sie schreiend die Flucht ergriffen. Sie stürmten aus der Tür in die Dämmerung.
Hardt sah ihnen nach. Dann rief er: »Knüppel in den Sack!«, und der Eichenknüppel, der zitternd in der Luft hing, sauste wieder in den Sack. Hardt warf ihn über die Schulter. Seine Gefährten starrten ihn an. Bauern und Dorfleute zogen den Kopf ein. Der Dudelsackspieler mit dem Igelkörper sträubte die Stacheln. Der
Weitere Kostenlose Bücher