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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Wirt polierte wie wild das Glas.
    »Gute Nacht allerseits«, rief Horn und hüpfte trotz seiner Körperfülle grazil über den bewusstlosen Hünen.
    Die sechs Gefährten verließen die Schenke. Niemand wagte, sie anzusehen. Niemand außer zwei Personen. Eine saß ganz hinten neben dem Feuer unbemerkt in einem Winkel; unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze funkelten die Augen. Die andere war ein Müller im mehlbestäubten Kittel. Er sah Kunz nach und kratzte sich am Kinn.
     
    Im Stall hingen staubige Spinnweben zwischen Balken und Trägern, der Fußboden bestand aus festgestampftem Lehm. Die Gefährten führten ihre Kaltblüter in die Verschläge und versorgten sie. Dann stiegen sie auf den Heuboden, wo sie ihre Decken ausbreiteten.
    »Ein Abschiedsgeschenk von meinem Meister«, antwortete Hardt auf Sannes Frage und klopfte zufrieden auf den Sack. »Zauberhandgedrechselt. Hat sich oft als nützlich erwiesen.«
    Die Gefährten lachten. Sie rollten sich in ihre Decken. Hans sagte: »Endlich wieder ein Dach über dem Kopf!« Er befühlte seine verheilenden Wunden.
    »Wir sind jetzt auf der Hohen Heide«, sagte Horn. »Aber wie sollen wir das Mädchen finden?«
    »Wir erkundigen uns morgen«, erwiderte Hans. Er drehte sich um und schlief sofort ein. Auch Sanne, Hardt und Horn fielen in einen tiefen Schlaf. Nur Kunz und Sneewitt waren noch wach. Ein Wind kam auf und schüttelte die Bäume rings um den Stall. Eicheln prasselten auf das Rieddach. Die Balken knarrten, und in den Verschlägen schnaubten die Pferde. In einem saß rätselhafterweise ein großer Gockelhahn.
    »Ich bin hellwach«, sagte Kunz. »Meine Wunde tut weh.«
    »Meine auch«, flüsterte Sneewitt und rieb ihre Schulter.
    »Vielleicht wäre ein Absacker hilfreich«, sagte Kunz.
    Sneewitt nickte. »Gute Idee«, erwiderte sie. »Wir könnten uns auch nach dem Mädchen umhören.« Sie band ihre feuerroten Haare hinter dem Kopf zusammen, schnallte einen Dolch um und kam auf die Beine. Draußen rauschte das Laub im Wind. Die Nacht war finster. Aus den Fenstern der Schenke fiel Licht auf den Hinterhof. Die Schankstube war noch voll. Die mehr oder weniger angeheiterten Gäste sahen kurz auf, als Kunz und Sneewitt eintraten. Der Hüne hatte sich aus dem Staub gemacht.
    An der Theke glotzte sie der Wirt grimmig an, aber als er Kunz’ Zweihänder sah, wurde er freundlicher. »Auf meine Kosten«, sagte er und schenkte zwei Schnäpse ein. »Für die Unannehmlichkeiten.«
    »Wer waren diese hirnlosen Halbtoten?«, fragte Kunz. Er leerte das Glas auf einen Zug.
    »Unsere Jungmänner«, antwortete der Wirt. »Diese Burschen wissen nicht, was sich gehört. Bitte um Vergebung. Wenn ich euch irgendwie behilflich sein kann …« Er schenkte nach.
    »Wir suchen ein Mädchen«, sagte Sneewitt. »Grüne Augen, Sommersprossen. Sie ist bekannt für gute Taten. Hat man sie hier gesehen?«
    Der Wirt dachte nach. »Hm …«, brummte er. »Nicht, dass ich wüsste. Aber vielleicht kann unser Schweinehirte helfen.« Er winkte und rief: »He, Hans, komm mal her!«
    An einem der Tische erhob sich der kleine Dudelsackspieler mit dem Kopf und dem Oberkörper eines Igels.
    »Hans?«, fragte Sneewitt. »Unser Anführer heißt auch so.«
    »Ein häufiger Name«, sagte der Wirt. »Oder auch nicht, denn viele Männer dieses Namens werden von Nixen betört und ertrinken in Seen.«
    Der Hirte war betrunken; sein Dudelsack lag auf dem Boden. Während ihn der Wirt befragte, stierte er aus glasigen Knopfaugen ins Leere und klammerte sich mit seinen Klauen an die Theke, die er nur um Haupteslänge überragte. »Grünes Mädchen? Gute Taten?«, lallte er. »Ja, ja.«
    »Was
ja
?«, ranzte ihn der Wirt an. »Hast du von ihr gehört oder nicht?«
    »Nee, nee. Ich habe sie nicht gehört. Sie war stumm …« – er rülpste – »… wie ein Fisch.«
    »Bist du ihr etwa begegnet?«, fragte Sneewitt.
    »Ja, ja. Auf der Heide.« Der Hirte wischte sich Sabber von der Schnauze. »Sie ist … wunderschön.«
    »Wo war das?«, hakte Kunz nach. »Und wann?«
    »Sie hat eine kranke Sau geheilt«, lallte der Hirte. »Nur mit den Händen. Und überall … waren Vögel.«
    »Wann und wo?«, fragte Sneewitt ungeduldig.
    »Auf der Heide«, wiederholte der Hirte und schwenkte einen Arm. »Vor ein … paar Tagen. Sie war da … und dann war sie weg. Wie eine gute Fee.«
    »Warum sucht ihr sie?«, fragte der Wirt, dessen Argwohn neu erwachte.
    »Ein Auftrag«, sagte Sneewitt kurz angebunden.
    »Hm …«,

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