Der Eiserne König
aufeinander zu. Das Blut wurde aufgesogen, die Gedärme glitten an ihren angestammten Ort. Unter den Händen der Person fügte sich der Körper zusammen. Wenige Herzschläge später sah Kunz so frisch und lebendig aus wie eh und je. Die Person sprang auf und eilte davon, gefolgt von den zwei Vögeln.
Der Dorfjunge sah ihr nach. Dann ging er zu Sanne. »Darf ich die Murmeln behalten?«, fragte er, beide Hände voller Perlen.
Sanne sah ihn verständnislos an. Da erblickte sie Kunz. »Oh …«, flüsterte sie und griff nach Hans’ Arm. »Sieh nur!«
»Die Fee ist weg«, sagte der Junge. »Darf ich die Murmeln behalten?«
»Ja, sicher«, sagte Sanne. »Natürlich.« Sie ging zu Kunz, der stöhnend, aber unversehrt neben dem Müller auf den Dielen lag.
Hardt horchte auf. »Welche Fee?«, fragte er den Dorfjungen.
»Die Fee, die den Mann gesund gemacht hat«, antwortete der. »Zwei Vögel haben ihr geholfen. Sie ist da hinaus.« Er zeigte zum Hintereingang.
Die Gefährten wirbelten herum. Neben dem Kamin, in dem die Glut schwelte, knarrte eine Tür im Wind.
8. Die weiße Schlange
Kunz hatte eine Liebschaft mit einer Königin«, erzählte Sneewitt am nächsten Morgen, während sie ihre blutigen Kleider in einem Bottich wusch. »Sie wurde schwanger. Weil das Kind ein Bastard war, ließ sie es von einem Jäger im Wald aussetzen. Das hat er nie verwunden, denn der Königin ihr Kind war ja auch sein Kind. Um die Sache zu vergessen, hat er seinen Namen geändert. Immer, wenn er ihn hört, wird er an die Sache erinnert und spielt verrückt.« Sie sah zum schlafenden Kunz.
»Seine Brustwunde ist verheilt«, sagte Hans erstaunt.
Draußen graute der Morgen. Der Wind hatte die Wolken über Nacht vom Himmel gefegt. Unten schnaubten die Pferde in den Verschlägen.
»Da saß das Mädchen die ganze Zeit in der Schenke, und am Ende entwischt sie uns«, brummte Horn. »Unglaublich.«
»Sehr klug«, sagte Sanne. »Mitten zwischen Leuten zu sitzen ist das beste Versteck.«
Hardt spuckte in die Hände und strich sein Haar nach hinten. Er musterte sich im Taschenspiegel, pfiff anerkennend und zupfte an Schnauzer und Kinnbart.
»Du bist der Schönste im ganzen Land«, sagte Sneewitt über die Schulter. »Tolle Frisur.« Sie beugte sich über den Bottich, um ihr Kleid auszuwringen.
»Tolle Figur«, erwiderte Hardt und kniff sie in den Hintern.
Sie stieß ihm einen Ellbogen in den Bauch. Er schrie auf und schnappte nach Luft.
Kunz erwachte. Er richtete sich ruckartig auf dem Heulager auf. »Ich hatte«, keuchte er, »einen schrecklichen Traum. Ich wurde … von einem wilden Tier zerrissen.«
»So kann man es auch nennen«, murmelte Sneewitt, die ihre Schulterwunde neu verband.
»Lasst uns aufbrechen«, sagte Hans. »Das Mädchen ist sicher noch in der Nähe. Wir müssen ihre Spur finden.«
Sie rollten die Decken auf und kletterten vom Heuboden. Die Rechnung hatten sie zwar nicht beglichen, aber der hinter einem Fenstervorhang versteckte Wirt war erleichtert, als sie davonritten.
Im Dorf spielten Kinder mit den Perlen. Manchmal schaute jemand aus dem Fenster, zuckte beim Anblick der Gefährten aber zurück. Da erklang Getrappel. Als Hans sich umdrehte, sah er den Igelhirten. Er kam auf dem Gockelhahn angeritten, dicht gefolgt von einer grunzenden Schweineherde.
»Endlich mal einer, der arbeitet!«, rief Horn.
»Ich arbeite nicht«, erwiderte der Hirte und zügelte den Hahn. »Ich hüte nur Schweine und spiele Dudelsack. Aber ich kann euch den Ort zeigen, wo ich der Fee begegnet bin.«
»Nicht nötig«, sagte Hans. »Sie war gestern in der Schenke. Kannst du Fährten lesen?«
Der Hirte schüttelte den Igelkopf.
»Oje«, sagte Horn und kratzte sich am Kopf.
»Das kann ich auch nicht«, murmelte Hardt.
Die zwei Frauen schauten ratlos drein.
»Na, großartig.« Hans sah zu den dahinjagenden Wolken auf. »Kein Fährtenleser. Dann haben wir das Mädchen ja bald.« Er seufzte.
Am Dorfausgang hockten die verletzten Jungmänner unter einem Lindenbaum. Der Hüne kühlte sein Veilchen mit einer Speckschwarte. Als sich die Gefährten näherten, rief einer: »Seht mal! Da sind die Schweine!«
»Euer Glück, dass nicht klar ist, wen ihr meint«, sagte Kunz.
Reiter und Borstenvieh zogen an den Burschen vorbei, die drohend die Fäuste reckten. »Wir kriegen euch noch!«, brüllte einer. »Und dann gerben wir euch das Fell!«
Die sechs Gefährten ritten lachend weiter.
Sie hatten das Dorf bald hinter sich gelassen. Der Hirte
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