Der Eiserne König
gewesen.
Zeisig und Sperling flogen nach Süden. Nach zwei oder drei Meilen erspähten sie Meister Grimbart und Reineke Fuchs, die ihnen auf dem matschigen Heerweg entgegeneilten.
»Ja, ja«, knurrte der Dachs, nachdem die Vögel zwitschernd Bericht erstattet hatten, »wir wundern uns auch darüber, dass sie nach Norden reiten.«
»Die Sache stinkt oben und unten und hinten und vorn«, fügte der Fuchs hinzu. »Diese Kultknechte dienen zwar den weisen Weibern, aber was mögen sie im Schilde führen?«
Der Zeisig zilpte aufgeregt.
»Rottland?«, fragte Meister Grimbart. »Soll Maleen wieder eingekerkert werden?«
Eine Windböe fegte Regentropfen über den Weg.
»Das ist ein Komplott«, rief der Fuchs. »Man will nicht, dass wir im Greting die Esche suchen. Zwischen dem vielen Gold, der Trägheit der Menschen und diesem schrecklichen Grimm muss es einen Zusammenhang geben. Da will jemand seine Machenschaften verschleiern – finstere Machenschaften.«
»Na, na«, brummte der Dachs. »Nur nicht übertreiben.«
»Wir sind von Anfang an behindert worden.«
»Meinst du, die weisen Weiber würden ihr eigenes Anliegen hintertreiben?«, fragte der Dachs. »Das wäre widersinnig.«
»Weiß der Henker«, erwiderte der Fuchs. »Vielleicht dienten unsere Gefährten als Ablenkungsmanöver.«
Meister Grimbart schüttelte skeptisch den Kopf, wirkte aber sehr nachdenklich. »Wie dem auch sei«, sagte er schließlich. »Wir müssen Maleen weiter folgen. Ihr zwei …« – er wandte sich an die Vögel – »… fliegt ihr nach und haltet uns auf dem Laufenden.«
Sobald die Vögel fort waren, trabten Dachs und Fuchs weiter. Ihre Pfoten und Läufe waren von Matsch bedeckt, der Wind wühlte in Pelz und Schwarte. Die Spuren der beiden Pferde führten schnurstracks nach Norden.
»Und wen«, fragte Reineke Fuchs nach einer Weile, »sollen wir zu Hilfe rufen, wenn es brenzlig wird?«
»Hm«, brummte der Dachs. »Gute Frage …« Er dachte kurz nach und beschleunigte die Schritte; sein Atem wirbelte über den Rücken und zerstreute sich in der feuchten Luft. »Hör gut zu«, sagte er. »Du kehrst um und alarmierst die Gefährten. Ob Auftrag oder nicht – wenn mich mein siebter Sinn nicht trügt, schwebt das Mädchen in großer Gefahr.«
»Und du?«, japste der Fuchs. »Was, wenn Not am Mann ist, bevor Hans und die anderen eintreffen?«
»Sie sollen so rasch wie möglich nachkommen, und wenn sie ihre Gäule zuschanden reiten.«
»Ja, aber du …«
»Ich bin ein alter Kämpe und Kriegsheld«, schnaufte Meister Grimbart. »Ich komme schon zurecht. Los, ab mit dir!«
Der Fuchs musterte ihn kurz. »Na, gut«, sagte er. »Dann bis später.« Er kehrte mitten im Lauf um und flitzte zurück nach Süden.
Der Heerweg schmiegte sich an das Ufer des Welsflusses, der im weiten Bogen nach Westen strömte. Die Klippen des Himmelstors, zwischen denen sich der Fluss vor Äonen sein Bett durch den Greting gebahnt hatte, waren nicht mehr weit entfernt. Die Grenzfeste blieb im Nordosten hinter den Gebirgsausläufern zurück.
Aber Maleens Unbehagen schwand nicht, sondern wurde im Gegenteil noch größer, weil sie sich immer weiter von dem nach Flutwidde führenden Weg entfernten. Der Welsfluss strömte träge durch sein Bett; Felsbrocken ragten aus den schlammigen Fluten. Ein Fischreiher flog mit gemächlichen Flügelschlägen über die Uferwiesen. Maleens einziger Trost bestand darin, dass Zeisig und Sperling in Abständen über sie hinwegzogen. Das konnte bedeuten, dass sie Hilfe gefunden hatten. Sie mochte sich nicht nach ihnen umdrehen, weil sie befürchtete, dass ihr Begleiter Verdacht schöpfte.
Die Klippen ragten immer höher auf, das Flussbett wurde steiler, der Wald rechts des Wegs dichter. Maleen stockte das Herz, als ein zweiter Kultknecht mit wehendem Umhang zwischen den Eichen hervorpreschte und sein Pferd hinter ihr zügelte. Auch er trug einen silbernen Helm; statt des rechten Arms entsprang seiner Schulter ein Krummsäbel. Er grüßte seinen Kameraden mit gereckter Faust. Bald darauf ritt ein dritter Kultknecht aus dem Wald. Dann ein vierter, dann ein fünfter. Nach einigen Meilen war der Trupp auf fünfzehn Kultknechte angewachsen, jeder mit einer Blankwaffe anstelle des rechten Arms.
Maleen verkrampfte sich im Sattel. Diese Männer sollten sie beschützen, jagten ihr aber Angst ein. Sie ritten immer tiefer in das Halbdunkel der Schlucht. Das Brausen des Welsflusses hallte zwischen den Felswänden, die den
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