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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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starren auf den Zug. Sie schauen nicht die Wachposten an, auch nicht Judah, auch nicht seinen aus den Gerippen verspeisten Geflügels gebauten Golem. – Ihr fahrt nach Westen, sagt er. – Ans andere Ende der Welt.
    - Es heißt, sagt er, – ihr baut euch ein neues Leben. Wo man euch nicht erreichen kann.
    - Wir kommen, um zu fragen, sagt er und schweigt. – Wir kommen, um zu fragen …
    Und Judah, vom Rat mit Vollmacht ausgestattet, nickt: Ja, ihr könnt euch uns anschließen.
     

     
    Nomaden in großer Zahl. Kriminelle und Flüchtlinge. Bewohner der Ebene und Außenseiter – Schreiter, die wortlos an der Seite des Zuges gehen, sogar ein Garuda, der sich aus dem Himmel herablässt und zum General über die ungebärdigen Wyrmen gesetzt wird. Der Eiserne Rat absorbiert sie.
    Sie sind flankiert von einem außergewöhnlichen Burgfrieden zwischen waffenstarrenden fReemade und den Borinatch-Kämpen, die mit ihrem eleganten, weiten Schritt den Zug begleiten. Wir sind beschützt, denkt Judah. Sie geben uns das Geleit, um unser Vorwärtskommen zu befördern.
    Die Prämienjäger suchen sie noch dreimal heim, schnelle, überlegte Attacken. Jedes Mal gelingt es ihnen, sich ohne eigene Verluste zurückzuziehen.
    - Das sind nur Vorgeplänkel, sagt Uzman zu Judah. – Da kommt noch Schlimmeres auf uns zu.
    Abends hält er dem Eisernen Rat im Schein des Lokscheinwerfers eine aufrüttelnde Predigt. Ann-Hari ergreift seine Partei, und obwohl die Heizer und Mechaniker zu bedenken geben, dass die Koksvorräte schwinden, wird beschlossen, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Ab sofort werden Tag und Nacht die Gleise verlegt, von Männern wie Frauen unter einem betäubenden Mantel der Erschöpfung. Sie träumen, während sie den Hammer schwingen.
    Der eiserne Pfad frisst die Meilen. Nachts entsteht im wandernden Lichtschein des Zugs der Eindruck, dass die Felsformationen sich bewegen, als wollten sie davonschleichen. Insekten und Dinge in der Größe von Insekten trommeln einen Rhythmus ihrer eigenen Leiber auf Laternenglas, verzischen als winziger Funkenblitz, wenn sie einen Weg ins Innere finden. Der Zug ist ein Streifen düsterer Helligkeit auf der nächtlichen Ebene.
    Die Erde vermittelt nicht mehr das tröstliche Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu haben. Anspannung vergiftet die Atmosphäre. Neuankömmlinge werden misstrauisch beäugt, man beschuldigt sie, Spitzel zu sein.
    Judah hilft dabei, einen vor Angst toll gewordenen, tobenden Mann daran zu hindern, einen neu hinzugekommenen fReemade totzuschlagen. Im Tohuwabohu ihrer Beschwichtigungsversuche, des Gezerres und der Prügel, die sie nun ihm verabreichen, gesteht weder Judah noch einer der anderen sich ein, dass der Mann Recht haben könnte, dass es in ihrer Mitte Spione gibt.
    Am Rand der Ebene gelangen sie in das Gelände, das sie gesucht haben. Ein Rauchsteinfeld. Die erstarrten Nebelarabesken schälen sich langsam aus dem Dunst der Ferne. Ein Voraustrupp setzt sich in Marsch, um einen Weg durch den von der Natur gebildeten Skulpturengarten zu sprengen.
    Der Ewige Zug ist eine Festung. An dem eigenwilligen Geschützturm prangen Flicken aus blankem Metall. Alle Dirimisten tragen Keulen, schnitzen sie zu Speeren, Steinmesser mit von Lumpen umwickeltem Heft. Primitive und exzentrische Flinten. Man wartet.
    Das Ding in Judah regt sich, und er weiß, noch ist die Zeit nicht reif, aber er wird fortgehen.
     

     
    Sie dringen in den Rauchsteingarten vor. Übergangslos wandelt die Ebene sich zu einer unwirklichen Traumlandschaft, wo Erdatem sich versteinert in die Höhe kräuselt, die zähe Fauna des Rauchsteins sich auf basalthartem Wolkenschaum tummelt. Da sind fedrige Säulen, Fontänen, wo Geysire ausgebrochen und fast augenblicklich erstarrt sind. Die Trasse windet sich dazwischen, durch eine Solfatara ausgehauchter Gase.
    Die Planierer haben mit Schwarzpulver eine Gasse gesprengt. Die Ästhetik des Rauchsteins ist barbarisch durchbrochen von dem kruden Pragmatismus gezackter Löcher. Überwiegend ist der Erdatem in gebauschten Schwaden erstarrt, aber da sind auch leicht gezwirbelte Säulen, an der Spitze in ein Fähnchen auslaufend, wo Rauchstein bei völliger Windstille aufsteigen konnte. Der Zug fährt unter Bögen hindurch, die entstanden, als Luftströmungen den Rauch in die Höhe rissen und dann wieder nach unten drückten.
    Das Gleisbett wird begradigt, die Schienen verlegt, wieder aufgehoben. Die einzigartige Landschaft ist zugleich schön und unheimlich.

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