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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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überwiegende Zahl der Handwerksbetriebe um die Rust Bridge war geschlossen, Arbeiter und Eigentümer hielten sich versteckt oder schützten die Grenzen des Kollektivs. Einige kleine Fabriken nahmen an, was sich an Aufträgen bot, für den Lohn, den die Leute aufbringen konnten, und zu einer von diesen ging Cutter an dem Tag, als der Milizturm einstürzte.
    Die Feuer in der alten Straße der Glasbläser waren erloschen, doch vermittels einer zusammengekratzten Summe Geldes und Appellen an ihr politisches Gewissen konnte er die seditionistische Arbeiterschaft der Ramuno Hotworks überreden, die Öfen anzuheizen, die Pottasche herzuholen, den Farn, den Kalk zum Reinigen und Klären. Er gab ihnen die Schatulle mit Judahs rundem Spiegel, den er zerbrochen hatte. Endlich sagten sie, sie würden ihm ein Spekulum aus Kristallglas anfertigen. Er ging zu Oris Adresse, um in seinem Zimmer dort auf ihn und Judah zu warten.
    Falls sie sich schon einmal über den Weg gelaufen waren, Ori und Cutter, durchaus möglich angesichts der engen Welt der Seditionisten in der Zeit vor dem Kollektiv, konnte Cutter sich nicht daran erinnern. Madeleina di Farja hatte ihn beschrieben, danach hatte Cutter einen zornigen, aufbrausenden, kämpferischen Jungen vor Augen gehabt, der es nicht abwarten konnte, den Aufstand zu proben, und der seine Kameraden dafür abkanzelte, dass sie seiner Ansicht nach zu duckmäuserisch wären. Dann war Ori etwas ganz anderes gewesen.
    Er war gebrochen. In einer Weise, die Cutter nicht ganz verstand, doch er konnte mit ihm fühlen. Ori hatte sich einer gefährlichen Lethargie ergeben, und Cutter und Judah und Madeleina mussten ihn wachrütteln.
    »Es kommt, es kommt«, sagte Qurabin. »Es kommt näher, wir müssen eilen.«
    Der Mönch sprach immer drängender: Der Verstand hinter den Worten schien täglich weniger zu werden. So viele Fragen an seinen Augenblick des Verborgenen, und mit jeder Offenbarung ging etwas mehr von Qurabin verloren.
    So sehr, wie ihm im Zustand seiner diskret voranschreitenden Auflösung noch möglich, war Qurabin beunruhigt. Jede Spirale, an der sie vorüberkamen, versetzte ihn in Angst: Er fühlte das Nahen des Feindes, welche Gestalt er auch haben mochte, der Bereiter der bevorstehenden Hekatombe: der Massakergeist, der Massenmord ist, der Unschwarm, nannte Qurabin ihn. Er komme, sagte er, er könne es fühlen. Die Dringlichkeit wirkte ansteckend auf Cutter. Und die Angst.
    Ein Kreis kleiner Horribeln suchte die Stadt heim. Auf dem Weg zu Ori sah Cutter eine Menschenansammlung in einer Nebenstraße, und plötzlich drängte Qurabin ihn in diese Richtung, packte ihn mit unsichtbaren Händen und wimmerte. Als sie hinkamen, erlebten sie die letzten Momente einer Erscheinung in Hundegestalt, fraktalisierend, im Vergehen alle Farbe und Helligkeit der Welt an sich ziehend. Die kleine Gruppe der zusammengelaufenen Kollektivisten babbelte und gestikulierte, aber niemand war gestorben.
    Qurabin stöhnte. »Das ist es, das ist es«, sagte er, als die Welt zwinkerte und das Ding verschwunden war. »Das Ende ist nah.«
    Cutter war sich nicht im Klaren darüber, ob er glauben sollte, dass Ori die Bürgermeisterin getötet hatte, Eliza Stem-Fulcher. Für ihn war es unvorstellbar. Dass sie tot sein sollte, die durch nichts aus der Fassung zu bringende weißhaarige Frau, die er von Heliotypien kannte, von Plakaten, von dem einen oder anderen flüchtigen Blick bei öffentlichen Auftritten, die so lange so viel von seinem Hass auf sich vereinigt hatte, war für ihn ein harter Brocken. Er würde noch eine Weile daran zu schlucken haben. Er saß in Oris Zimmer und wartete.
    Judah war bei Ori, bei Ori als Toro. Hielt sich an ihm fest, ließ sich durch die Haut der Welt zu seiner alten Werkstatt in Brock Marsh schieben.
    »Was glaubst du da zu finden?«, hatte Cutter ihn gefragt. »Ich werde einen Spiegel beschaffen – wir brauchen ihn für das Kollektiv –, also was willst du da? Man wird dein Haus versiegelt haben.«
    »Ja«, antwortete Judah, »das ist anzunehmen. Und du hast Recht, wir brauchen den Spiegel. Aber es gibt noch einige Dinge außerdem, die ich haben will. Dinge, die mir nützlich sein können. Ich habe einen Plan.«
    Die anderen waren im Arsenal. Die Remade des Eisernen Rats rüsteten sich zur Verteidigung des Kollektivs. Wie muss das sein, für sie, dieser fremde Krieg?, dachte Cutter.
    Seine Gedanken gingen zu dem langen Weg, den sie zurückgelegt hatten, durch Ödnis und Steppe, durch

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