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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Zug an ihnen vorbeikroch. Sie gafften, ärmliche Gestalten, deren molkefarbene Haut Inzucht verriet, mit abgrundtiefer Verständnislosigkeit auf den gewaltigen, eisernen Popanz. Manchmal brachten sie Tauschwaren mit.
    Ihr Vorhandensein legte nahe, dass es in der Gegend Handelsposten geben musste, aber der Eiserne Rat bekam keinen davon zu Gesicht. Die Nachricht von ihrem Kommen – der vagabundierende Zug aus dem Westen, eskortiert von einer Armee fReemade mit ihren Kindern, alle stolz und frei – wanderte auf den geheimnisvollen Pfaden von Gerüchten durch diese Region immer währender Feuchtigkeit.
    Man wird auch in New Crobuzon von uns hören. Vielleicht schicken sie uns Truppen entgegen.
    »Wisst ihr schon?«, fragte eine zahnlose alte Bauersfrau. Sie bot ihnen über Apfelbaumholz geräucherten Schinken an, für etwas Geld (geheimnisvolle Westland-Dublonen) und ein Souvenir zur Erinnerung an den Zug (sie gaben ihr ein fettiges Zahnrad, das sie so ehrfurchtsvoll entgegennahm wie ein heiliges Buch). »Ich habe von euch gehört. Wisst ihr schon?« Stolz gewährte sie ihnen freie Fahrt über ihre kargen Äcker, bestand darauf, dass sie das Gleis mitten durch ihr Feld legten. »Ihr nehmt mir das Pflügen ab«, sagte sie. »Wisst ihr schon? Es heißt, in New Crobuzon herrschen Unruhen.«
    Kann bedeuten, das Kollektiv ist untergegangen. Kann bedeuten, es hat gesiegt. Kann alles Mögliche bedeuten.
    Je weiter sie nach Osten vordrangen, desto häufiger hörten sie von diesen Unruhen. »Der Krieg ist zu Ende«, berichtete ihnen ein Mann. Seine Kate war zum Bahnhof geworden, seine Veranda der Bahnsteig. Die nächsten Nachbarn hatten den viele Meilen langen Weg von ihren Anwesen im Tiefland auf sich genommen, um bei ihm zu sein, wenn der Eiserne Rat vorüberrollte. Man beobachtete die Vorgänge mit wohlwollendem Ernst.
    »Der Krieg ist vorbei. So erzählt man. Sie hatten Streit mit Tesh, richtig? Tja, ist vorbei, und wir haben gesiegt.« Wir? Du hast nie den Fuß nach New Crobuzon hineingesetzt, Mann. Du bist nie auch nur auf hundert Meilen an die Stadt herangekommen. »Sie haben was gefingert, und sie haben’s ihnen gezeigt, und jetzt will Tesh Frieden machen. Ob ich was kenne? Das was? Was ist ein Kollektiv?«
    New Crobuzon hatte irgendetwas unternommen. Sie hörten es immer wieder. Eine geheime Mission, hieß es unter anderem, ein Attentat. Man hatte irgendwie irgendwo irgendetwas verhindert, und das Leben sah plötzlich anders aus; die Teshi waren in die Enge gedrängt und mussten verhandeln oder kapitulieren. Etwas hat die Pläne der Teshi zum Scheitern gebracht?, dachte Cutter spöttelnd. Nicht möglich. Und dieser Triumph, so sah es aus, hatte dem Parlament und dem Bürgermeister neue Sympathien verschafft, während das Kollektiv Unterstützung verlor. Darüber konnte er nicht spötteln. Darüber wollte er nicht nachdenken.
    »Die Krakeeler? Die sind erledigt. Das Parlament hat sie kaltgestellt.«
     

     
    Flüchtlinge aus der Stadt fanden den Weg durch die regenreichen Niederungen. Sie ließen sich in den kleinen Städten nieder, an denen der eiserne Pfad vorbeiführte: Sie erfüllten die verlassenen Rinderstädte mit neuem Leben. Die Dirimisten kamen in unermüdlich tätigen Scharen aus dem Hügelland und legten ihre Schienen auf die präparierte Trasse, über die wieder belebte Hauptstraße. Die neuen Bürger traten aus der ehemaligen Kneipe, Kirche, dem Bordell und schauten zu, wie über Stunden (sie kamen täglich schneller voran) die Truppe Schwellen und Schienen auf die verblassten Pfade legte und der mächtige Zug schnaufend dort entlangrollte, wo zurzeit des Eisenbahnbooms Postkutschen und Reiter unterwegs gewesen waren.
    »Wisst ihr schon?« Sie hörten dutzendmal die gleiche Geschichte. Unter den Flüchtlingen mussten auch welche aus den vom Parlament kontrollierten Vierteln sein, aber keiner gab es zu: Jeder war ein Kollektivist, der sich vor der Miliz verstecken musste. Bist du nicht vielleicht doch ein kleiner Schieber?, dachte Cutter manchmal sarkastisch. Bist du wirklich ein Organisator des Widerstands, wie du behauptest?
    »Wisst ihr schon?« Dass der Krieg vorbei ist, dass wir Tesh besiegt haben und dass, nachdem Tesh besiegt war, der Bürgermeister wieder die Zügel in die Hand genommen hat und die Ordnung wiederhergestellt wurde und das Kollektiv zerschlagen ist?
    Ja, das wissen wir. Obwohl nicht alle es glaubten.
    Sie wurden bewirtet in diesen neu belebten Städten, mit Sex und Crobuzoner

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