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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Mittelpunkt.
    Mir schnuppe, ob sie Vorträge halten können wie an der Universität.« Sie blieben stehen, umsummt von Fliegen, inmitten der Schwaden des dumpfen Fleischgeruchs und der Rufe der Verkäufer. »Mich interessiert, was du tust, Kumpel. Was kannst du für uns tun? Für unseren gemeinsamen Freund?«
     

     
    Sie machten ihn zum Boten. Er musste seinen Nutzen beweisen und Päckchen oder Briefe abholen, die Old Shoulder für ihn hinterlegte, sie kreuz und quer durch die Stadt transportieren, ohne nachzuschauen, was es war, sie Männern oder Frauen übergeben, die ihn misstrauisch beäugten und wegschickten, bevor sie auspackten.
    Er trank in den Zwei Maden, pflegte seine Freundschaft mit den Nuevisten. Er ging zu den Diskussionen der LF- Runde. Geheimnisse der Geschichte: »Jabber: Heiliger oder Schurke?«; »Der Dirimist vom Eisernen Rat: Die Wahrheit hinter der Schablone«. Die energische junge Maschinenstrickerin hatte sich zur politischen Autorität gemausert. Ori kam es vor, als beobachte er alles durch ein Fenster.
    In der ersten Woche des Tathis, geprägt von einem plötzlichen Kälteeinbruch, beauftragte Old Shoulder ihn, Schmiere zu stehen. Erst in letzter Sekunde setzte man ihn davon in Kenntnis, und die ganze Aufregung der ersten Zeit überfiel ihn erneut.
    Sie befanden sich in Bonetown. Schauten zu, wie der Abend in bleiernen Schatten durch die Silhouetten der Bonetown Claws, der Rippen, kroch. Diese Gebeine aus der Vorzeit, die dem Bezirk seinen Namen gaben, bäumten sich mehr als 60 Meter hoch in den Himmel, von Rissen durchzogen, vergilbt, mit geologischer Langsamkeit dem Vergehen entgegen modernd. Sie ließen die Häuser in der Umgebung wie Spielzeug aussehen.
    Der große Mann der örtlichen Unterwelt, Vielgestalt, erwartete eine Lieferung. Ori konnte nicht einmal sehen, wo und wie Toros Leute gedachten, den Transport abzufangen. Innerlich zitterte er vor Anspannung. Er schaute und schaute, aber keine Miliz tauchte auf. Von dort, wo er Posten bezogen hatte, ging der Blick bis zu dem freien Platz hinter den Rippen, zum Stadtpark, wo Straßenkünstler und die Verkäufer von Kunstdrucken ihre Tageseinnahmen zählten, unbeeindruckt von dem skelettierten Brustkorb einer sich jedem heutigen Vorstellungsvermögen entziehenden Kreatur, der kolossal über ihnen aufragte.
    Ori passte auf, obgleich es nichts aufzupassen gab, wünschte sich, er hätte eine Schusswaffe. Junge Burschen, Angehörige einer Bande, schlenderten herausfordernd vorbei und taxierten ihn, zogen es vor, nicht an ihm ihr Mütchen zu kühlen. Sonst zeigte niemand Interesse. Er hatte keine Ahnung, wie weit die Aktion gediehen war, bis Old Shoulder ihn von hinten antippte, sodass er heftig zusammenzuckte, und sagte: »Ab nach Hause, Junge. Die Arbeit ist getan.« Das war alles.
     

     
    Ori hätte nicht sagen können, ab wann genau er sich als in den Club aufgenommen betrachten durfte. Old Shoulder fing an, ihn mit anderen bekannt zu machen, ihn in halblaut geführte Diskussionen einzubeziehen.
    In den Kneipen, in den Teerhütten und Labyrinthen von Lichford, besprach Ori Taktiken mit Toros Getreuen. Er war Mitglied auf Probe. Mit einem mulmigen Gefühl hörte er zu, wenn seine neuen Genossen über das Gremium lästerten – »des kleinen Mannes Großmannssucht«, sagten sie dazu – oder über die Macher des Lauffeuers. Nach wie vor besuchte er die unterirdischen Diskussionsrunden des Letzteren, doch anders als in den vielen Monaten zuvor bemerkte er sofort die Auswirkungen seiner neuen Aktivitäten. Sie standen in den Zeitungen. Ori hatte Schmiere gestanden bei dem, so die Schlagzeilen, BONETOWN-RAUB.
    Er wurde entlohnt, für jeden Überfall. Nicht üppig, aber ausreichend als Entschädigung für entgangenen Arbeitslohn und noch etwas mehr. Im Zwei Maden und im Follibecker spendierte er großzügig Runden, und die Nuevisten ließen ihn hochleben. Er fühlte sich nostalgisch.
    Und in Lichford hatte er neue Freunde – Old Shoulder, Ulliam, Ruby, Enoch, Kit. Toros Bande von Gesetzlosen zeichnete sich durch einen besonderen Elan aus. Ihr Leben war anders, war reicher und spannender, weil in beständiger Gefahr.
    Wenn die Greifer von der Miliz mich jetzt schnappen, werden sie mich nicht einfach ins Gefängnis stecken, dachte Ori. Dann ist ein Remaking fällig, mindestens. Oder Kopf ab.
    Fast jede Woche gab es jetzt einen Streik in Gross Coil. Unruhen in Smog Bend. Spifeds randalierten im Khepri-Ghetto in Creekside. Die Miliz ging nach

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