Der Eiserne Rat
war erst der Anfang. Komm morgen die Suppe austeilen, meinte Spiral plötzlich, versprich mir, dass du kommst.
Ori tat es. Und vielleicht ahnte er, was in dem Beutel war, den Jacobs ihm zusteckte. Als er ihn öffnete, Stunden später, in seinem Zimmer, allein, entfuhren ihm immer wieder Laute fassungslosen Staunens.
Geld. In Rollen und kleinen Tuchbündeln. Eine riesige Menge Münzen und Banknoten, in Dutzenden verschiedenen Währungen. Schekel, Nobel und Guineen, und selbst die jüngsten Prägungen schon Jahrzehnte alt. Aber da waren auch Dukaten, Dollars und Rupien und Sandnoten und arkane 4 Eine Spende, hieß es auf der beigefügten Notiz. Zum Gelingen eines guten Plans. In Jacks Angedenken.
Dritter Teil
Weinland
Kapitel 10
Der Golem bewachte die schlafenden Wanderer. Er stand bei den glühenden Kohlen des heruntergebrannten Feuers, größer als ein Mensch, als sogar ein Kaktusmann. Ungeschlacht, überlange Arme, die um die Knie baumelten, affenähnlich. Seine Haltung wirkte durch den Buckel der hochgezogenen, nach vorne hängenden Schultern gebeugt, der Rücken war sattelförmig eingesunken. Seine Lehmhaut war rissig von der Sonne.
Mit Anbruch der Morgendämmerung erwachten die Insekten und spazierten über den Golem hinweg. Es focht ihn nicht an. Kletten und Samen wehten über die Schläfer in ihrer Mulde. Die kühle Morgenbrise verursachte ihnen Gänsehaut. Sie hatten die sengende Hitze hinter sich gelassen.
Drogon erhob sich als Erster. Als die anderen aufwachten, war er fort, kundschaften, und Pomeroy und Elsie machten sich ebenfalls auf einen Erkundungsgang, ließen Cutter allein bei dem Meister des Golems.
Cutter sagte: »Du hättest nicht weggehen sollen, Judah. Nicht einfach so.«
Judah sagte: »Hast du das Geld gefunden, das ich dagelassen habe?«
»Natürlich habe ich das Geld gefunden und auch deine Instruktionen, aber befolgt habe ich sie nicht, wie du siehst. Und freust du dich nicht? Über das, was ich dir mitgebracht habe?« Er klopfte auf seinen Packen. »Sie waren noch nicht fertig, als du dachtest, dich auf den Weg machen zu müssen.«
»Und nun ist eins kaputt.« Judah lächelte traurig. »Eins ist zu wenig.«
»Kaputt?« Cutter war erschüttert. Er hatte die beiden Geräte den ganzen weiten Weg mitgeschleppt.
»Du hättest nicht weggehen sollen, Judah, nicht ohne mich.« Cutter atmete schwer. »Du hättest auf mich warten sollen.«
Cutter küsste ihn, mit der drängenden Inbrunst, die ihn immer überkam, wenn er es tat, eine Art Verzweiflung. Judah erwiderte den Kuss, auch wie immer – mit einer Mischung aus Zuneigung und Geduld.
Sogar jetzt, merkte Cutter konsterniert, schien Judah Low nicht wirklich auf das konzentriert zu sein, was vor ihm lag. So war es schon, seit Cutter ihn kannte. Einer von den in höheren Sphären schwebenden Gelehrten, hatte Cutter anfangs gedacht. Cutters Laden lag in Brock Marsh, seine Kundschaft bestand aus Wissenschaftlern. Er war überrascht gewesen, dass sich in Judahs Redeweise noch schattenhaft die Herkunft aus den Geschäftsbezirken im Stadtzentrum verriet.
Mehr als zehn Jahre lag ihre erste Begegnung zurück. Cutter war aus dem Hinterzimmer gekommen und sah Judah vor dem Regal mit Esoterika stehen: Adversarien, Metauhrwerk, Pflanzengeheimnisse. Ein langer, dünner Mann, mit trockenem, ungeschnittenen Haar, sehr viel älter als Cutter, verwittertes Gesicht und stets weit geöffnete Augen, wie in permanentem Staunen über alles, was er sah.
Die Säuberungsaktion auf den Schutthalden war noch nicht lange her, und auch Cutter hatte man gezwungen, sein Faktotum abzugeben. Folglich musste er selbst seine Fußböden wischen und war entsprechend übler Laune, die er seinen Kunden spüren ließ.
Als Judah wiederkam, versuchte Cutter sich zu entschuldigen, und der ältere Mann hatte ihn nur wortlos angeschaut. Beim dritten Mal – Judah kaufte einen größeren Posten Alkalide und die beste, dichteste Tonerde – erkundigte Cutter sich nach seinem Namen.
»Und soll ich Judah sagen oder Jude oder Dr. Low?«, hatte Cutter gefragt, und Judah hatte gelächelt.
Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte Cutter sich so verbunden gefühlt, so verstanden, wie bei diesem Lächeln. Seine
Weitere Kostenlose Bücher