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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Routine. Doch irgendwann musste er die Summe von 40 Nobel erreicht haben: Er erhielt einen neuen Auftrag. Diesmal war es ein mit Rillen versehener Wachszylinder, den er zu einem Voxiterator-Kasten bringen musste.
    Die spitze Nadel machte eine Stimme hörbar, entstellt durch Knistern und Rauschen: »Gute Arbeit, mein Junge. Jetzt aber mal Schwieriges: Bring uns ein Milizabzeichen.«
     

     
    Er traf Spiral Jacobs jede Woche. Sie hatten eine Sprache der Umschreibungen und Andeutungen entwickelt. Er vermied kategorische Aussagen, und Spiral Jacobs blieb seiner erratischen Logik treu. Ori merkte, dass der Wahnsinn des alten Mannes wenigstens teilweise Methode hatte.
    »Sie lassen mich Dinge tun«, sagte Ori, »deine Kumpel. Sie sind nicht eben die gastfreundlichsten Typen, stimmt’s?«
    »Stimmt. Aber wenn sie dich als Freund annehmen, sind sie Freunde für’s Leben. Hab mich lange in dem Asyl rumgetrieben. Hab lange da rumgehangen und gewartet, ob ich wohl wen finde, den ich ihnen vorstellen kann.«
    Auf diese vorsichtige und tastende Weise diskutierten Ori und Spiral Jacobs über Politik. In den Versammlungen der Lauffeuer- Chaverim war Ori still und aufmerksam. Ihre Zahl nahm ab und wieder zu. Von den Frauen aus dem Leuteschinderbetrieb in Skulkford kam nur eine noch. Sie meldete sich immer häufiger zu Wort, zeigte sich von Mal zu Mal besser informiert.
    Er lauschte mit einer Art Nostalgie und grübelte: Wie stelle ich’s an?
     

     
    Er ging nach Dog Fenn. Dort war die Miliz weniger leicht hervorzulocken, dafür boten sich ihm bessere Versteckmöglichkeiten. Zwei Versuche waren nötig, sorgfältige Planung und mehrere Schekel an Bestechungsgeldern.
    Nachts in der Dunkelheit unter den Pfeilern der Barley Bridge. Eine aus zwei Mann bestehende Patrouille traf einen Straßenjungen, der atemlos berichtete, es sei jemand in den Fluss geworfen worden, derweil seine Kumpane einen aufgeregten Radau veranstalteten. In dem schwarzen Wasser schrie eine junge Prostituierte um Hilfe, während oben Züge schnauften. Sie schlug in echter Todesangst um sich, denn sie konnte nicht schwimmen (wurde aber an der Oberfläche gehalten von zwei Vodyanoikindern in der Tiefe, die untergetaucht Wasserblasen kichern).
    Am ersten Abend blieben die Milizzer am Ufer stehen und leuchteten mit ihren Laternen die wild rudernde Frau an, während die Kinder jammerten und heulten, dass sie ertrinke. Die Männer riefen ihr zu, sie solle aushalten, und liefen weg, um Hilfe zu holen. Ori kam daraufhin aus seinem Versteck, zog die wenig begeisterte Bordsteinschwalbe aus dem Wasser und sorgte dafür, dass alle vom Ort des Geschehens verschwanden.
    Am zweiten Abend ließ ein Beamter Jacke und Stiefel bei seinem Kameraden und watete in das kalte Wasser hinaus. Die Vodyanoi tauchten ab, und die Frau geriet in Panik und drohte unterzugehen. Das Chaos im Fluss war nicht gespielt. Die Kinder scharten sich Zetermordio schreiend um den am Ufer stehenden Milizzer, flehten ihn an zu helfen und bedrängten ihn, bis er laut schimpfend seinen Schlagstock schwang. Aber da war es längst zu spät. Sie hatten das Kleiderbündel seines Kollegen gefleddert, während er es in der Hand hielt, die Taschen geleert und alles abgepflückt, was sonst noch von Interesse war.
    Ori hinterließ das Abzeichen in einem alten Schuh an Toros Ecke. Als er zwei Tage später wiederkam, wartete jemand auf ihn.
    Old Shoulder war ein Kaktusmann. Er war dünn und zwergenhaft für einen seiner Art, kleiner als Ori. Sie schlenderten über den Fleischmarkt. Ori sah, dass die Preise immer noch zulegten.
    »Ich weiß nicht, wer dein Augenmerk in unsere Richtung gelenkt hat, und ich werde dich nicht fragen«, meinte Old Shoulder. »Wo bist du bisher gewesen? Wo hast du mitgemischt?«
    »Lauffeuer«, antwortete Ori, und Old Shoulder nickte.
    »Ja, gut, ich will nichts dagegen sagen. Aber du solltest dich entscheiden, Junge.« Er wandte Ori sein Gesicht zu, nach Jahren in der Sonne ausgeblichen, nur mehr andeutungsweise grün. Ori fühlte sich sehr jung neben ihm. »Bei unserem Freund weht ein anderer Wind.« Er kratzte sich die Nase, der ausgestreckte Zeige- und Ringfinger machten das Hörner-Zeichen. »Geht mir am Arsch vorbei, was Flex oder einer von seinem Haufen gesagt haben würde. Verabschiede dich von der Philosophiererei. Wir sind nicht interessiert am Arbeit-ist-Wert-Konzept oder Diagrammen der Profitschrumpfungstendenz und was weiß ich. Beim Lauffeuer stehen immer mehr die Theorien im

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