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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Motive waren durchschaut, ohne Komplikationen oder Zynismus. Er erkannte, dies war keiner der zerstreuten Scholaren, sondern Judah war beseligt und beseligend. Cutter war ihm sehr schnell in Liebe verfallen.
     

     
    Anfangs herrschte eine gewisse Scheu zwischen ihnen, nicht nur zwischen Cutter und Judah, sondern auch zwischen Judah und Pomeroy und Judah und Elsie. Wieder und wieder fragte er sie, wie Drey gestorben war und Ihona und Fejh. Er war erschüttert gewesen, als er hörte, dass drei unterwegs den Tod gefunden hatten. Am Boden zerstört.
    Er bat sie, die Tode in Form einer Historie zu schildern. Ihona in ihrer Wassersäule; Dreys luftige letzte Reise; Fejhechrillens Zersiebung im Kugelhagel war weniger einfach semantisch zu verbrämen.
    Sie versuchten ihrerseits von ihm zu erfahren, was er getan hatte. Er schüttelte den Kopf, als sei es nicht der Rede wert.
    »Ich bin geritten«, sagte er, »auf meinem Golem. Immer nach Süden, durch den Wald und dann immer wie die Krähe fliegt. Ich zahlte für die Passage auf einem Schiff über das Karge Meer. Dann hieß ich ihn nach Westen gehen, durch die Kaktusdörfer. Sie halfen mir. Ich kam durch die Schlucht. Ich wusste, man war hinter mir her. Ich stellte ihnen eine Falle. Den Göttern sei Dank, dass du es gemerkt hast, Cutter.« Eine fahle Schreckensblässe überzog sein Gesicht.
    Er sah müde aus. Cutter wusste nicht, was Judah hatte ertragen müssen, was an seinen Kräften gezehrt hatte. Verschorfte Wunden zeugten von Erlebnissen, die er offenbar für sich behalten wollte.
    Es erforderte keine große Anstrengung, den Golem am Leben zu erhalten, doch es war eine weitere Belastung zu den anderen seiner Flucht.
    Cutter legte eine Hand an die Flanke des grauen Riesen. »Lass los, Judah«, sagte er. Der Ältere schaute ihn an mit seinem immer staunenden Blick. Lächelte langsam.
    »Schlaf«, befahl Judah. Er berührte das rudimentäre Gesicht des Golems. Der Lehmmann veränderte seine Haltung nicht, doch etwas verließ ihn. Eine Form von Orgon. Er sank unmerklich in sich zusammen, und Staub rieselte, und die Risse in seinem Leib sahen plötzlich bis tief innen vertrocknet aus. Er blieb stehen, wo er gestanden hatte, und würde sich nie wieder bewegen. Er würde nach und nach zerbröckeln, die Sprünge und Löcher Nistplätze sein für Vögel und Insekten. Er würde ein Teil der Landschaft sein und irgendwann verschwunden.
    Cutter hatte den Wunsch, ihn umzustoßen und zerbrechen zu sehen, ihn davor zu bewahren, ein hilfloses Opfer der Zeit zu sein, doch er ließ es bleiben.
     

     
    »Wer ist Drogon?«, wollte Judah wissen. Der Susurrator wirkte verloren ohne sein Pferd. Er beschäftigte sich abseits und kümmerte sich nicht darum, dass die anderen über ihn redeten.
    »Er wäre nicht hier, wenn es nach mir ginge«, brummte Pomeroy. »Für einen Wisperschmied hat er verdammt viel Macht. Und wir wissen nicht, wo er herkommt.«
    »Er ist ein Streuner«, sagte Cutter. »Viehhirte, Fährtenleser, du weißt schon. Ein Mann und sein Pferd und das weite Land. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass du dich auf den Weg gemacht hättest – die Götter wissen, was für Gerüchte mittlerweile im Umlauf sind. Er hat sich uns angeschlossen, weil er auf der Suche nach dem Eisernen Rat ist. Aus Sentimentalität, nehme ich an. Er hat uns mehr als einmal den Hals gerettet.«
    »Er soll mit uns kommen?«, fragte Judah. Alle Blicke richteten sich auf ihn.
    Cutter antwortete diplomatisch. »Du weißt – du musst nicht weitergehen. Wir könnten umkehren.« Judah musterte ihn eigenartig. »Ich weiß, du glaubst, du hättest mit der Golemfalle in deinem Zimmer die Brücken hinter dir verbrannt, und es stimmt, sie liegen auf der Lauer, aber dammich, Judah, du könntest in den Untergrund gehen. Das Gremium würde dich schützen.«
    Judah schaute sie an, einen nach dem anderen, und einer nach dem anderen schlugen sie die Augen nieder, beschämt. »Ihr glaubt nicht, dass er noch existiert«, sagte er. »Seid ihr deshalb hier? Meinetwegen?«
    »Nein«, sagte Pomeroy. »Ich habe immer gesagt, dass ich nicht deinetwegen mitkomme.«
    Judah achtete nicht auf den Einwurf. »Ihr glaubt, es gibt ihn nicht mehr?« Aus seiner Stimme klang eine ruhige, beinahe religiöse Gewissheit. »Aber er besteht noch. Wie kann ich umkehren, Cutter? Begreifst du nicht, weshalb ich hier bin? Sie wollen den Rat vernichten. Wenn sie ihn finden, werden sie ihn auslöschen. Ursprünglich hatten sie es auf die Teshi abgesehen,

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