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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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aber da sie nun wissen, wo der Rat zu finden ist, können sie nicht die Augen verschließen. Ich habe es aus einer Quelle von früher. Dass sie ihn gefunden haben und was sie vorhaben. Ich muss sie warnen. Ich weiß, das Gremium würde es nicht gutheißen. Wahrscheinlich haben sie mich mit einem Bannfluch belegt.«
    »Wir haben ihnen Bescheid gegeben«, sagte Cutter. »Von Myrshock aus. Sie wissen, dass wir dir folgen.«
    Judah kramte ein Bündel Blätter und drei Wachszylinder aus seinem Felleisen.
    »Vom Rat«, erklärte er. »Der älteste Brief ist an die siebzehn Jahre alt. Der erste Zylinder noch älter. Fast zwanzig Jahre. Die letzten sind vor drei Jahren gekommen, und sie waren erst zwei Jahre alt, als ich sie bekam. Ich weiß, der Rat ist noch da.«
    Auf welchen geheimnisvollen Wegen waren die Nachrichten gereist? Vom Fellid Forst zum Meer, per Schiff zur Lohwasser-Enge, nach Shankell, Myrshock, zur Eisenbucht und dann nach New Crobuzon. Oder: über halsbrecherische Steige in den Bergen, weiter auf Waldpfaden ein paar hundert Meilen weit in die Marschen unterhalb von Cobsea. Dann nach Cobsea selbst in der großen Ebene. Oder: durch die Luft oder durch Thaumaturgie beflügelt – irgendwie fanden sie zu guter Letzt den Weg in die Hände von Judah Low.
    Und hattest du die Möglichkeit zu antworten, Judah?, dachte Cutter. Du weißt, dass sie warten. Wissen sie, dass du auf dem Weg bist? Und wie viele ihrer Nachrichten sind unterwegs verloren gegangen? Vor seinem inneren Auge sah er schroffe Klippen übersät mit Wachsfragmenten. Launische Böen trieben beschriebene Papiere wie Blütenblätter über die Steppe.
    Mit Ehrfurcht musterte er die Briefe, die gravierten Zylinder, konservierter Ton. Artefakte aus einer Fama des Gremiums, aus den Erzählungen von Weltreisenden und Dissidenten.
    Was konnte er wissen? Als Cutter das erste Mal vom Eisernen Rat munkeln hörte, war er ein Junge, und es war ein Märchen wie Jack Gotteshand und Toro und das Aufbegehren. Als er alt genug war, um zu verstehen, dass seine Regierung ihn belogen haben könnte – dass es kein Desaster in den Marschen im Süden gegeben hatte –, war der Eiserne Rat, der nach Aussagen mancher dort seinen Ursprung hatte, unauffindbar. Sogar jene, die behaupteten, ihn gesehen zu haben, konnten nur nach Westen zeigen.
    Warum hast du mir diese Dinge nie gezeigt, Judah?, dachte er. Keine Andeutung in all ihren vielen Gesprächen, in der ganzen Zeit, in der sie sich immer näher gekommen waren. Judah hatte Cutters Zynismus genommen und versucht, ihn umzubilden, hatte versucht, Cutter klar zu machen, dass er sich damit das Leben vergällte. Es gäbe andere Wege, an allem zu zweifeln, ohne darüber zum Weltverächter zu werden, hatte Judah gesagt, und manchmal hatte Cutter sich Mühe gegeben, seine Sichtweise zu ändern.
    Ein Dutzend Jahre waren sie Freunde gewesen, und Cutter hatte vieles von Judah gelernt und ihn manches gelehrt. Judah war es, der Cutter mit dem Gremium in Berührung brachte. Cutter erinnerte sich an die Diskussionen in seinem Laden, in seiner kleinen Wohnung, im Bett. Und während all dieser politischen Gedankenspiele – Judah ein höchst weltfremder Insurrektionist, Cutter nie mehr als ein argwöhnischer Weggefährte – hatte Cutter nie diese greifbaren Existenzbeweise des Eisernen Rats zu sehen bekommen.
    Er fühlte sich nicht betrogen, nur verwirrt. Wie so oft.
    »Ich weiß, wo der Rat sich befindet«, sagte Judah. »Ich kann uns hinbringen. Es ist großartig, dass ihr gekommen seid. Brechen wir auf.«
     

     
    Judah sprach mit dem Wisperschmied, und natürlich konnte niemand außer Judah seine Antworten hören. Zu guter Letzt nickte Judah, und es war abgemacht, dass Drogon sie begleiten würde. Pomeroy grollte, trotz allem, was der Susurrator für sie getan hatte.
    Judah, der Somaturg, übernahm nicht die Führung, tat nichts, außer dass er sagte, er wolle seinen Weg fortsetzen und sie könnten mitkommen. Aber sie wurden seine Gefolgsleute, so wie immer. In New Crobuzon war es genauso gewesen. Nie gab er ihnen Anweisungen, schien oft in tiefem Sinnen zu vergessen, dass sie bei ihm waren, doch wenn er zu ihnen sprach, hörten sie aufmerksam zu.
    Sie trafen Vorbereitungen. Vor ihnen lagen Wochen des Marschierens. Meilen und Meilen über Land und Steine und wieder Bäume und vielleicht Wasser und vielleicht Schluchten und dann vielleicht der Eiserne Rat. Sie legten sich früh schlafen, und irgendwann in der Nacht weckten Cutter die

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