Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Stellen führte.
    Er stand auf, zog das Medikamentenpflaster ab und warf es weg. Weitere Kinder von ungefähr dem gleichen Alter wie er standen ebenfalls von ihren Plätzen auf und gingen zur Tür.
    »Ian, wo warst du?«, fragte Culu – ein kleines blondes Mädchen mit einem Juniorverstärker hinterm Ohr. Wie Cormac war auch sie noch zu jung, um Daten direkt ins Gehirn herabzuladen, aber sie näherte sich dem so weit an, wie es die Gesetze gerade eben noch erlaubten. Cormac hatte einmal ihre Eltern gesehen: aufeinander abgestimmte Verstärker und sichtbare kybernetische Zusätze wie Multispek-Augen und Armstecker, die nervengesteuertes Werkzeug aufnahmen. Culu würde nicht mehr lange in dieser Klasse bleiben, denn sie stand kurz davor, all die zu überflügeln, die eine eher konventionelle Schulung erhielten wie Cormac. Als er seiner Mutter einmal etwas über Culu sagte, lautete ihre Antwort: »Ich möchte, dass du Mensch bleibst, bis du alt genug bist, um eine Entscheidung auf der Grundlage gesicherter Kenntnisse zu treffen.« Culu schien ihm jedoch Mensch genug, und sie schien ihn zu mögen.
    »Habe Dinosaurierknochen ausgegraben«, antwortete er ihr, was nicht im strengen Sinne zutraf, sich aber toll anhörte. »Und ich werde ab jetzt mit Cormac angesprochen«, ergänzte er. Als er sah, dass sowohl die Knochengrabungen als auch die Namensänderung sie faszinierten, erzählte er ihr alles von der Reise nach Montana, während sie hinaus auf den Spielplatz gingen. Allerdings fiel ihm schwer, über den Namenswechsel zu reden und darüber, wie sich dieser fest etabliert hatte, seit seine Mutter noch vor ihrer beider Rückkehr nach Hause anfing, ihn mit beinahe erschreckendem Ernst zu akzeptieren.
    »He, Cormac!«
    Ein Ball nahm Kurs direkt auf seinen Kopf. Fast ohne nachzudenken, riss Cormac eine Hand hoch und fing ihn auf. Er blickte auf und sah, dass sich eine Sicherheitsdrohne auf ihrem Pfosten über ihm gedreht hatte. Wäre sie zu dem Schluss gelangt, dass der Ball Cormac im Gesicht treffen würde, hätte sie das Objekt mit einem wohlgezielten eigenen Geschoss aus der Luft geholt oder es zur Sicherheit gleich eingeäschert. Die Drohne, eine Sub-KI des Schulgehirns, hätte dazu reichlich Zeit gehabt, denn in der Zeitspanne, die Cormac brauchte, um die Hand zu heben und den Ball zu fangen, hätte sie wahrscheinlich mehrere Kreuzworträtsel ausfüllen und ein Buch durchlesen können.
    Cormac blickte zu Meecher hinüber, dem Jungen, der den Ball geworfen hatte. Meecher gehörte zu den ältesten Jungen dieser Schule. Cormac fragte sich, ob dieser in einer anderen Epoche ein Schulhofschläger geworden wäre. Eine solche Kreatur konnte hier nicht existieren, da die KI einfach zu gut aufpasste.
    »Da, ich hatte es euch ja gesagt«, wandte sich Meecher an zwei seiner Kumpane.
    Cormac trat vor und warf den Ball heftig zurück. Die Drohne rotierte erneut. Meecher griff nach dem Ball, bekam aber die Hände nicht schnell genug zusammen, und der Ball traf ihn im Solarplexus. Er machte umpf, schüttelte die Nachwirkungen aber schon einen Augenblick später ab und lief hinter dem Ball her. Aus Gründen, die über das Begriffsvermögen eines Achtjährigen gingen, griff die KI nicht immer ein.
    Raues Teppichgras bedeckte den Spielplatz, und darauf ragten jede Menge Spielgeräte auf, darunter Klettergerüste und Rutschbahnen. Man hatte hier auch Zugriff auf Schläger und Bälle, Gravorollschuhe und noch viel mehr – aber nicht auf Informationen, da es hier um sportliche Betätigung und »Interaktion« ging. Jemand heulte derzeit schon, weil er sich bei einem Sprung verrechnet hatte, und ein menschlicher Betreuer eilte herbei. Die KI griff bei solchen Zwischenfällen nicht ein: Verletzungen durch Boshaftigkeit wurden zumeist nicht geduldet, aber Verletzungen durch Dummheit gehörten zum Lernen.
    Ein hoher Zaun begrenzte den Spielplatz, vor allem, damit keine Bälle auf die angrenzende Straße hinausflogen, auf der nach wie vor ein gewisser Bodenverkehr durch Hydrofahrzeuge herrschte, obwohl die meisten Menschen heutzutage Gravofahrzeuge kauften. Cormac beteiligte sich an dem Fangenspiel, das dem Zweck diente, einen Eingriff der Drohne zu provozieren, die jedoch ihre Sensoren resolut abwandte. Das ging so weiter, bis Meecher den Ball nach Culus Kopf warf, woraufhin sich der Ball in einer Rauchwolke auflöste und Meecher aufschrie, als er kurz zum Ziel eines Elektronenstrahlstachels wurde. Das war schon eine ganze Weile lang nicht

Weitere Kostenlose Bücher