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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Samara vorstellen.
    Am Ende der Gasse duckte er sich in wiederum eine andere Gasse, die ihrerseits zu einem Platz führte. Planierraupen hatten hier den Schutt auf eine Seite geschoben, und adaptiertes blaues Gras wuchs aufs Neue, wenn auch ungleichmäßig, da der saure Nebel das Wachstum hemmte. Eine Statue hatte man wieder aufgerichtet, ein Gerüst an ihr hochgezogen und mit den Reparaturen begonnen, obwohl derzeit dort niemand arbeitete – die Notwendigkeit, neue Wohnungen und Infrastruktur aufzubauen, wog schwerer als das Abbild eines schon lange toten Würdenträgers.
    Cormac bestimmte mit Hilfe des noch stehenden Uhrenturms seine Position und näherte sich einer breiten Allee, gesäumt von rotblättrigen Linden, die mehr tote Äste trugen als lebende. Dort wandte er sich nach links zu einem mit Unrat bedeckten Teich und erblickte den verschmutzten Hafen am Fuß des Hügels; der Geruch, der von dort aufstieg, erinnerte ihn an das Innere des Pradorschiffs. Zum Glück waren die hiesigen Ozeane nicht tot, aber ein beträchtlicher Teil des Meereslebens war vernichtet worden, sodass man an den Küsten oft zig Zentimeter tief in vermoderten Überresten stand.
    Er ging zum Hafen hinab, der anders als die Stadt oberhalb keine direkten Treffer eingesteckt hatte, wohl aber schwer von den Tsunamis heimgesucht worden war, die an anderen Stellen des Planeten erzeugt worden waren. Links von Cormac lag ein dreihundert Meter langes Frachtschiff auf der Seite, wo es Häuser und Lagerhäuser unter sich zermalmt hatte. Man hatte Löcher in den Rumpf gebohrt, um das Schiffsinnere zu nutzen, und auf den Blättern der zwei Doppelschrauben prangte die Aufschrift Der Maschinenraum. Er ging zu der niedrigen Tür, die man in die Rückwand geschnitten hatte, erstieg eine Treppe, die über eine riesige Antriebswelle hinwegführte, und erreichte den escheresken Maschinenraum, in den man neue Böden und Treppen in Übereinstimmung mit der neuen Rumpflage eingebaut hatte, ohne die alten zu entfernen. Er setzte die Nebelmaske ab und näherte sich schnurstracks der Theke, montiert über einem sehr retromäßigen Generator, wie man ihn gewöhnlich nicht außerhalb eines Museums zu sehen bekam. Als Cormac sich umsah, wurde ihm klar, wie reich die hiesige Gesellschaft früher gewesen war, denn dieses Schiff war einst eine liebevoll restaurierte und gepflegte Antiquität in Privatbesitz gewesen.
    Hinter der Theke fragte ein Mann in schmierigem Overall und mit einem mächtigen, unwahrscheinlichen Bart, mit Kupferdraht gebunden: »Was kann ich dir geben, Kumpel?« Vielleicht war das der Schiffseigner.
    »Ich nehme einen großen Espresso und einen Brandy.« Seine Theorie dabei war, der Wirkung des einen Getränks mit dem anderen entgegenzuwirken, da er hier wachsam bleiben musste.
    Der Espresso kam aus einer Maschine, die doch tatsächlich mit echten gemahlenen Bohnen arbeitete, und seine Herstellung dauerte einige Zeit. Der Brandy wurde aus einer alten Tonflasche eingeschenkt. Der Preis spiegelte beides wider.
    »Danke.« Cormac zahlte ohne Umstände, da Olkennon ihm einen großzügigen Etat zugeteilt hatte. »Ich suche nach jemandem, der Samara heißt – kannst du mir da weiterhelfen?«
    Der bärtige Barkeeper lachte und wiederholte dann die Worte: »Er sucht nach Samara!«
    »Könntest du mir das erklären?«, fragte Cormac höflich.
    »Jemand hat sich einen Scherz mit dir erlaubt. Falls du ›nach Samara suchst‹, dann suchst du vergebens. Das Sprichwort hat sich unmittelbar nach der Bombardierung etabliert. Ein Typ hatte den Verstand verloren und suchte nach Samara. Mehr Einzelheiten wusste er nicht mehr – konnte sich nicht erinnern – und man fand Tausende in der Stadt, die Samara hießen.« Er wirkte einen Augenblick lang nachdenklich. »Viele von ihnen haben seither den Namen gewechselt.«
    Cormac bedankte sich mit einem Nicken und wandte sich ab, um zu einem nahen Banktisch zu gehen. Es überraschte ihn nicht, dass seine Kontaktperson keinen echten Namen oder sonst eine Identifizierungsmethode genannt hatte. Zweifellos behielt man ihn hier drinnen im Auge, wie schon seit dem Augenblick, als er die alte Stadt betreten hatte. Er stellte seine Getränke auf die Pressfaserplatte des Tisches, legte die Nebelrobe ab und streckte sich, ehe er sich setzte, damit jeder Späher auch sah, dass er einen ECS-Kampfanzug trug. Der Barkeeper jedenfalls sah es, denn er runzelte die Stirn und wandte sich schnell ab.
    Der Espresso war gut, der Brandy noch

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