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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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weiterzumachen, selbst in
Anbetracht von Papa und seiner klebrig-kalten Hände.
    Der Shreck kam nicht in jeder Nacht. Manchmal konnte eine ganze Woche vergehen, ohne daß er ihr die Ehre seines
Besuchs gewährte. Gregor Shreck grinsend, schwitzend, neben ihr im Bett selbstgefällige Reden haltend, wie er sie mit
dem Namen ihrer Mutter anredete. Sie hatte Finlay nie davon
erzählt, nie auch nur eine Andeutung gemacht. Bestenfalls
hätte er Papa zu einem Duell herausgefordert und ihn getötet,
und dann wäre Finlays geheime Identität als der Maskierte
Gladiator ans Licht gekommen – zusammen mit der Tatsache,
daß sie ein Klon war. Und schlimmstenfalls würde er sie nicht
mehr mit den gleichen Augen sehen wie zuvor, wenn er erst
wußte, wer sonst noch ihr Bett teilte.
    Es lag in Gregor Shrecks bestem Interesse, das alles geheimzuhalten. Für das Klonen seiner toten Tochter drohte ihm
eine schwere Strafe, aber Inzest? Der gesamte Adel würde
sich von ihm abwenden. Die Gentechnologie hatte die Gefahren der Inzucht beseitigt, aber sie bildete trotzdem noch immer ein Tabu, und wenn nur aus dem Grund, daß selbst die
Aristokratie ein paar Regeln benötigte, die sie nicht ungestraft
brechen durfte. Inzest war ein geschmackloses Verbrechen.
    Wenn die Gesellschaft das mit ihr und Papa herausfand,
würde niemand ihn zur Rechenschaft ziehen, aber es würde
auch keiner mehr mit ihm sprechen. Sie würden ihn schneiden, sogar im Clan und in der Familie, und das war für einen
Aristokraten eine schlimmere Strafe als der Tod.
    Sicher, wenn sie herausfanden, daß er seine Frau und seine
Tochter ermordet hatte … Evangeline seufzte müde. So viele
Geheimnisse in einer einzigen Familie. Unvermittelt aktivierte
sich ihr Komm-lmplantat, und sie versteifte sich vor dem
Spiegel der Kommode. Sie hatte alle öffentlich zugänglichen
Kanäle abgeschaltet, und außer ihrem Vater kannte nur ein
Mann ihren privaten Kode.
»Evangeline, hier ist Finlay. Ich stecke bis zum Hals in
    Schwierigkeiten. Kann ich zu dir kommen?«
»Natürlich.« Sie dachte nicht eine Sekunde daran, seine Bit
te abzuschlagen. »Wo steckst du?«
»Direkt vor deinem Fenster. Machst du mir auf? Es ist verdammt kalt hier draußen.«
Sie sprang auf und rannte zu ihrem Fenster. Die Vorhänge
zogen sich auf einen Wink hin zurück und enthüllten einen
blutbesudelten Finlay auf einem Gravschlitten, der auf der
anderen Seite des Panzerglases schwebte. Trotz der Überraschung seines unerwarteten Auftauchens und des Schrecks,
den der Anblick seiner blutverschmierte Gestalt ihr einjagte,
war ihr erster Gedanke, wie er es geschafft hatte, an den Sicherheitsleuten des Turms vorbeizukommen. Er hatte wahrscheinlich eine ganze Menge Alarme ausgelöst, indem er einfach nur da war, wo er nicht sein sollte. Bei aller Liebe zu
Finlay – sie war schließlich immer noch eine Shreck.
Evangeline verdrängte den Gedanken und betätigte den
Notschalter im Rahmen des gepanzerten Fensters. Die schwere Scheibe glitt zur Seite, und Finlay steuerte den Gravschlitten in ihr Zimmer. Das Gefährt nahm eine Menge Platz in
Anspruch, und obwohl es noch immer ein paar Zentimeter
über dem Boden schwebte und leicht zur Seite zu schieben
war, mußte Evangeline sich dünn machen, um sich an ihm
vorbei zum Fenster zu quetschen und es wieder zu schließen.
»Mach dir keine Sorgen wegen der Wachen«, sagte Finlay,
als er vom Schlitten sprang. »Ich besitze ein kleines Gerät,
das sich um derartige Dinge kümmert. Es hilft mir, meine
Geheimnisse zu wahren. Die Wachen werden nie erfahren,
daß ich überhaupt hier war.«
Evangeline zappelte ungeduldig. Ein Dutzend Fragen lagen
ihr auf der Zunge, die ihr jedoch im Hals stecken blieben, als
sie sah, wie Blut vom Schlitten auf ihre dicken Teppiche
tropfte. Im ersten Augenblick dachte sie, daß er schlimmer
verletzt war, als es ausgesehen hatte, aber dann fiel ihr Blick
auf die zusammengekrümmte Gestalt, die in einer Ecke der
Ladepritsche lag. Ihr Herz drohte auszusetzen, als sie erkannte, wer das war. Adrienne Feldglöck. Die Frau, die sie wahrscheinlich mehr haßte als jeden anderen Menschen auf der
Welt, mit Ausnahme von Papa. Und Finlay brachte sie ausgerechnet zu ihr!
Finlay hob seine Frau unter angestrengtem Stöhnen auf die
Arme, und das zeigte Evangeline mehr als alles andere, wie
erschöpft und ausgebrannt er war. Er trug Adrienne zu Evangelines Bett und legte sie vorsichtig hinein. Dann setzte er
sich neben sie. Der letzte Rest an

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