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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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werden können, muss es das Boot nach Südgeorgien schaffen, und das wird nur geschehen, wenn die besonderen Fähigkeiten der sechs zusammenwirken und vollkommen harmonieren. Doch das ist nur die eine Seite, Merce. Sie haben nämlich verdammt Recht: Die 22, die hier bleiben, darf ich dabei nicht vergessen.«
    Shackleton blickt um sich. Er vergewissert sich, dass niemand uns zuhört. Mit einem flammenden Blick sieht er mich an. Und gepresst sagt er: »Vincent, McNeish und Stevenson kann ich nicht gemeinsam zurücklassen, es sei denn, ich wollte riskieren, dass es hier zu Mord und Totschlag kommt. Ich riskiere es nicht, Merce! Ich nehme den größten Störenfried mit. Mister Vincent ist ein kräftiger Mann, vielleicht der kräftigste von uns allen, und er hat es nicht umsonst bis zum Bootsmann gebracht. Ich bin sicher, er wird der Reise dienlich sein, vorausgesetzt, man hält ihn bei Laune.«
    Â»Ja, Sir. Es wird nicht einfach, aber Crean und Bakewell zusammen können ihn sicherlich in Schach halten.«
    Â»Mister Crean und Mister Bakewell sind anderweitig verplant. Sie, Merce, werden Vincent bei Laune halten.«
    Sein Arm schnellt vor und hält mich an der Schulter fest. Und das ist gut so. Ich kippe. Tränen schießen mir in die Augen. Ich kippe nach vorn, und er fängt mich auf und schließt mich in die Arme.
    Â»Merce«, sagt er ruhig; er hält meinen Kopf vor sein Gesicht und schüttelt mich sanft. »Ich brauche Sie! Wir brauchen Sie alle! Sie sind der Einzige, an dem Vincent ein persönliches Interesse hat. Sie sind der Stachel in seinem Fleisch, und ich möchte, dass Sie eine Woche lang ordentlich in diesem Fleisch herumbohren. Sie werden sehen, seine Wut hilft uns zu überleben. Und abgesehen davon, mein Lieber, brauchen wir Sie als Koch. Tja, und außerdem sind Sie ein fantastischer Ruderer.«

4
Anweisungen für die Zeit der Abwesenheit
    D er Strand, den Frank Wilds Suchmannschaft ausgekundschaftet hat, liegt 15 Kilometer nordwestlich an einer windgeschützten Bucht. Bob Clarks Einschätzung erweist sich als goldrichtig: Nicht sehr weit entfernt lebt eine Kolonie Eselspinguine. Doch die Vögel mit den zwei großen weißen Flecken über den Augen und dem rosigen Schnabeldolch scheinen es mit ihrem Nistplatz nicht sehr genau zu nehmen. Denn auch der still und verlassen daliegende Strand unterhalb der kahlen und seltsam glatten Felsen entpuppt sich unter seiner Schneeschicht als Kloake. So tief wir auch graben, die Spaten stoßen auf nichts als breiigen gelben Kotschlamm, und ein so fürchterlicher Gestank kommt aus den Löchern und Gruben für die Zelte, dass man kaum länger als ein paar Minuten darin stehen und schippen kann.
    Von den Männern an den Schaufeln hagelt es Flüche, und von den übrigen erntet Frank Wild bittere Kommentare. Doch das hat auch sein Gutes. Denn zum ersten Mal seit langem fährt der Zwerg Boss wieder die Ellbogen aus und wehrt sich, anstatt bloß zu schmollen.
    Shackleton stimmt das erste Dutzend erbeuteter Pinguine milde. »Zugegeben«, sagt er und hakt sich bei Wild unter, »es riecht streng! Aber, Gentlemen, dafür zählt der Eselspinguin zu den fleischreichsten seiner Gattung. Seien wir froh!«
    Â»Nase zu und froh sein. Verstanden«, hustet Green, und sogar Wild muss lachen. Weder er noch der Sir scheinen zu bemerken, dass Greens Scherzen kein Galgenhumor ist. Und selbst ich, der ich Tag für Tag seiner Verbitterung ausgesetzt war, bemerke erst jetzt, dass die Strapazen der Bootsfahrt Green anscheinend stärker zugesetzt haben als dem Rest der Mannschaft. Ich merke es daran, dass er sich mehrere Male auf meinen Arm stützt, als wir dabei sind, die Felsenkombüse aufzubauen.
    Â»Geht schon wieder«, hustet er. »Äääh, nun lass mich schon los!«
    30 Meter vom Fuß der Felsen bis zur Wasserlinie und etwa 200 Meter in der Breite misst die steinige und vereiste Fläche von der Form einer Sichel, auf der wir die Zelte aufschlagen. Obwohl das Lager sechs Männern weniger wird Platz bieten müssen, ergeht erneut das Kommando, die zwei kleineren Boote zu kippen; Geröllsockel sollen den Behausungen Halt bei Sturm geben; mit dem halben Dutzend Robbenfellen, das uns geblieben ist, und den Segeln der Boote, die nicht mehr gebraucht werden, dichten wir sie ab. Bei Einbruch der Dunkelheit am frühen Abend ist das Lager fertig, und die

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