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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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er für Käse? Und er gerät schon wieder in Rage.
    Man dürfe nicht aufgeben, nichts, nicht das Geringste. Weder sich selbst noch irgendeinen anderen Menschen, niemanden! Das sei das Ziel, und das Ziel sei unantastbar, unverlierbar! Man könne ohne Arme leben, ohne Beine, ohne Augen, ohne Glaube und ohne einen einzigen Penny in der Tasche, solange man an einem Ziel festhalte, mit dessen Erreichen man sich selbst und allen anderen gerecht werde. Ha! Ein Ziel brauche nicht groß zu sein, es könne nicht jeder ein Wright oder Pasteur sein, und letztlich sei das gefrorene Ende unseres Sterns zu durchqueren ein ebenso winziges Ziel wie Millionen andere, wenn man nur bedenke, mit welcher Leichtigkeit ein Albatros diese Strecke bewältige. Ob ich ein Mädchen habe, will er wissen.
    Ich zögere, aber nicke.
    Â»Das arme Ding!«, höhnt er. »Wie heißt sie?«
    Ich sage es ihm.
    Was also suche ich hier? Jede Liebe sei ein einmaliges Abenteuer. Denn ich sei schief gewickelt, falls ich annehme, dass er der hirnlose Kopf einer Meute von Abenteurern sei. Das Letzte, was er brauche, seien ichbezogene, ruhmversessene Renegaten, aber genau das sei ich ja wohl: ein Renegat. Und ein Riesendummkopf dazu!
    Was ist mit mir los? Kein Widerstand regt sich. Ich spüre bloß, wie mir das Heulen durch den Hals steigt.
    Nur einen Moment noch die Fassung bewahren. Geht das, Merce? Das schaffst du nicht?
    Â»Sir, wenn Sie erlauben, stelle ich das Tablett auf Ihre Koje. Soll ich Ihnen einschenken und Sie allein lassen?«
    Shackleton steht am Bullauge und sieht hinaus. Einen zufriedenen Eindruck macht er nicht: Er hat so gut wie nichts von meinem Glück übrig gelassen.
    Zu meinem Vater würde ich sagen: Schade, Dad, schade, dass du so ein sturer Bock bist.
    Schade, Sir Ernest, wir hätten viel Freude aneinander gehabt.
    Â»Die größten Schwierigkeiten im Eis«, sagt er still, »hängen alle mit der Kälte zusammen. Es wird bis 70 Grad unter Null kalt, wenn wir Pech haben. Unsere Zelte und Anzüge sind aus dem besten Material, das es gibt, so dass uns die Kälte kaum etwas wird anhaben können. Aber das gilt nur, solange wir in der Lage sind, uns selbst warm zu halten, weil wir genug zu essen haben. Verstehst du, was ich dir sage?«
    Â»Ich weiß, was Hunger anrichtet, Sir. Nicht im Eis, aber auf einem Wrack. Nach acht Tagen waren einige Männer drauf und dran, über die anderen herzufallen.«
    Darauf erwidert er nichts. Plötzlich setzt er sich in Bewegung und ist mit zwei Schritten bei mir. Ich kann nicht weiter zurückweichen. Ein leises Klirren des Geschirrs verrät mich: Ich bibbere nicht nur vor Kälte und Erschöpfung.
    Â»Hast du Angst?«, fragt er und sieht mir kurz in die Augen, bevor er sich bückt und das Buch aufhebt.
    Â»In dem Spind, Sir, hatte ich Angst«, sage ich, als er wieder steht und das Buch nach Schäden absucht; er bringt es zum Pult und legt es neben die im Licht des Bullauges funkelnde Schreibmaschine.
    Â»Du hast allen Grund, Angst zu haben.« Er kommt zurück, nimmt mir das Tablett aus den Händen und stellt es auf seine Koje.
    Â»Ich gebe dir Brief und Siegel darauf, mein lieber Freund, dass du der Erste sein wirst, den wir schlachten und in Scheiben schneiden, wenn uns das Essen ausgeht. Ist das ein erstrebenswertes Ziel für dich?«
    Â»Nein, Sir. Aber ich nehme es in Kauf.«
    Â»Du meldest dich bei Käpt’n Worsley.«
    Â»Jawohl, Sir.«
    Â»Und hörst auf der Stelle auf zu grinsen.«
    Â»Ich grinse nie wieder, Sir.«
    Â»Raus jetzt.«
    Ein Lächeln huscht über seine Lippen. Shackleton lächelt, und im selben Augenblick, kommt es mir vor, hört der Regen auf, so als gäbe es für nichts und niemanden mehr einen Grund zu weinen.

11
Vorstellungsgespräche
    D er Regen über dem Meer geht in Schnee über. Dicke Flocken wirbelt der nachlassende Ostwind heran, aber weil es nicht kalt genug ist, bleibt der Schnee an Deck nicht liegen, sondern schmilzt schon nach wenigen Augenblicken und überzieht alles und jeden mit einer feuchten und kühlen Glasur. Eine weihnachtliche Stille liegt über dem dunklen ruhigen Wasser, in dem die Flocken lautlos verlöschen, und sieht man hinauf in die Masten, kann es einem vorkommen, als blicke man wirklich in die Kronen dreier vom Schnee umwirbelter Tannen. Das Schiff hält ruhig Kurs auf dieser zumindest für mich

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