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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Stimmung an Bord. Und wem wäre feierlicher zumute als mir? Shackleton hat es verkündet: Erst mit mir ist die Mannschaft komplett, und dass ich nicht der Letzte bin, sondern derjenige, mit dem wir vollzählig sind, diesen Hinweis dürfte selbst der Bootsmann verstanden haben, obwohl auch da keine Falte in seinem Gesicht ein Aufhorchen oder nur Interesse verriet.
    Ich bin der 28. Mann, bin der 28. Februar. Je nachdem wie man die Sache betrachtet, antarktisch oder nicht antarktisch, bin ich ein Sommer- oder Wintertag, ein warmes Lüftchen oder schneidend kalter Gegenwind.
    Beharrlich arbeitet der Schnee daran, das Schiff weiß werden zu lassen. Jeden Tag bleibt eine etwas dickere Schicht an Deck liegen und rutscht einem, wenn man nicht aufpasst, eine größere Schaufel voll Schnee aus dem Bramsegel in den Nacken. Täglich wird es gewisser, die Karten sagen es, die Luft sagt es und unsere Stimmung sagt es erst recht: Wir sind in subantarktischen Gewässern. Drei Tage, und wir werden Grytviken auf Südgeorgien erreichen.
    Inzwischen hat mich bestimmt ein Dutzend weiß überpuderter Teerjacken in einem Moment, als sie sich unbeobachtet glaubten, beiseite genommen und auszuhorchen versucht. Jeder von ihnen ist ganz versessen darauf zu erfahren, wie ich es angestellt habe, den Sir herumzukriegen und ihn so zu besänftigen, dass er mich gleich zu seinem persönlichen Steward gemacht hat.
    Dass ich es nicht weiß, sage ich jedem von ihnen; Shackleton und ich haben uns bloß ein bisschen unterhalten. Ich zucke mit den Achseln und setze ein gleichgültiges Gesicht auf. Und das ist nicht mal gespielt.
    Â»Ich habe keine Ahnung, was ich für ihn tun soll«, sage ich ein Dutzend Mal, »vielleicht seine Kajüte sauber halten. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
    Jock Wordie, unser Geologe, ist dabei, einen Fächerkasten für Gesteinsproben zu beschriften, den McNeish für ihn gezimmert hat. Er hat die Nickelbrille auf die Glatze geschoben und lässt die Zungenspitze durch den Bart kreisen, als er mit winzigen Buchstaben beschriebene Papierstreifen auf den Holzrahmen klebt und sie mit den Fingernägeln festdrückt. Manchmal lässt er ein zustimmendes Brummen hören, wenn ich von Shackleton rede.
    Die Wände der Kabine, die sich Wordie mit Clark, dem Biologen, teilt, und die beide »Auld Reekie« nennen, hängen voller kleiner Bilder und Postkarten mit Aufnahmen von Walfluken, Berggipfeln, Stilleben und spärlich bekleideten, viel zu üppigen Damen. Hunderte rätselhafter, oft kaum daumengroßer Gegenstände tummeln sich auf den Borden über den beiden Kojen. Sind das Steine oder Knochen? Vielleicht beides. Sie sehen aus wie die Splitterchen in diesen winzigen Särgen aus Glas, die in der Newporter St. Woolo’s Kathedrale am Hintereingang zur Gurney Road in der in die Wand eingelassenen Vitrine stehen.
    Jock Wordie ist der Erste, von dem ich erfahre, wie er selbst in Shackletons Mannschaft kam, nämlich auf Empfehlung seines Ziehvaters am Cambridger College, Raymond Priestley, der während der Antarktis-Expedition mit der NIMROD 1907 Shackletons Geologe war. Langsam dämmert mir, dass es so etwas wie eine Antarktiker-Erbfolge gibt.
    Â»Wahrscheinlich weiß er selber noch nicht, was er mit dir vorhat«, sagt Wordie gleichmütig und kippt den Kasten um, so dass er die Rückseite mit ein paar Büchern beschweren kann. »Aber du kannst davon ausgehen, dass der Zeitpunkt kommt, an dem er es ganz genau weiß. So, ich bin fertig hier und muss jetzt zu den Hunden. Brauchst du ein Buch?«
    An Bord wird gemunkelt, Wordie habe Shackleton aus der eigenen Tasche Geld vorgestreckt, damit der in Buenos Aires hat Brennstoff kaufen können.
    Ãœberhaupt wird viel von Geld geredet, am meisten von dem Geld, das angeblich fehlt. Irgendwo unter Deck soll sich ein Radioempfänger befinden, der aber, wenn das Gerücht stimmt, im Grunde bloß ein Kasten wie der für Wordies Steine ist, weil das Geld für eine Sendeanlage nicht gereicht hat. Eine plausible Erklärung, weshalb wir keinen Funker haben: Es gibt kein Funkgerät.
    Gäbe es eins, wäre wahrscheinlich James, unser Physiker, auch Funker. Jimmy James ist ein zuvorkommender, liebenswerter Mann, der dir 30-mal etwas erklärt, ohne dir das Gefühl zu geben, du könntest, unter Umständen, vielleicht doch, na, sagen wir: zu schimmerlos sein, um es zur

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