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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Galley sieht man ab und zu Green hin und her gehen, der aber beschäftigt ist oder sich zumindest so gibt.
    Â»Da kommt der Mann aus dem Schrank«, ruft McIlroy erfreut, als ich näher trete, »die Made in der Schokolade!«
    Nichts, wozu Mick nicht ein Spruch einfiele, nichts bringt ihn zum Schweigen, und seine Vergleiche sind immer boshaft.
    Ein kurzes Gespräch über mein Befinden, und alle drei, Mick, Mack und Merce, stimmen wir darin überein, dass ich völlig wiederhergestellt bin.
    Habe mich der Boss also nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Apropos … wie es denn verlaufen sei, mein Tête-à-tête.
    So allmählich gewinne ich Übung in der Berichterstattung meines denkwürdigen Einstellungsgespräches. Und dass scheinbar jeder, dem ich auf Verlangen meine kleine Geschichte erzähle, die seine zum Besten gibt, ohne dass ich danach gefragt habe, verwundert mich schon lange nicht mehr.
    McIlroy kam mit Malaria aus Indien zurück nach London und sprach bei Shackleton vor. Der wunderte sich, weshalb der junge Arzt, der vor ihm stand, nicht aufhörte zu zittern, und wusste sich schließlich nicht anders zu helfen als dadurch, einen Arzt zu rufen.
    Der junge Arzt, der McIlroy zu Hilfe eilte, war Macklin. Angeblich erregte er Shackletons Wohlgefallen, als er auf dessen Frage, weshalb er eine Brille trage, antwortete: »Viele kluge Gesichter würden ohne Brille sehr dumm aussehen.«
    Als Doktor McIlroy genesen war, bot ihm Shackleton einen Vertrag an unter der Bedingung, dass er Doktor Macklin überzeuge, gleichfalls mitzukommen. Und Mick überredete Mack, indem er versprach, mit ihm gemeinsam nach Indien zu reisen, wenn sie beide vom Pol zurück wären.
    An selber Stelle verwickelt mich ein paar Stunden später Wild in ein Gespräch. Ich decke im Ritz den Tisch für die Männer der Freiwache, und Shackletons Stellvertreter sitzt über einer Seekarte, auf der er, wie er mir erklärt, Wetterbewegungen und Tiefenlotungen einträgt.
    Â»Nein, kein Eis in Sicht«, antwortet er auf meine Frage; dennoch sei Vorsicht geboten, da Schneetreiben und Nebelbänke die regelmäßige Positionsbestimmung erschwerten. Wild will wissen, ob ich etwas von Längengradberechnung verstehe.
    Â»Nein, Sir, leider nicht. Aber von Wordie habe ich mir ein Buch über Navigation ausgeliehen, ›Log, Lot und Länge‹.«
    Â»Soso, ›Log, Lot und Länge‹«, murmelt er und schmunzelt. »Ein gutes Buch, wirklich. Falls dir etwas unklar sein sollte, kannst du gern zu mir kommen und mich fragen. Hier …«, mit dem Zirkel zeigt er auf ein paar dicht beieinander liegende, winzige dunkle Punkte auf der Karte. »Das sind die Shag-Felsen, die wir demnächst passieren wollen. Sechs Klippen mitten im Meer, die höchste 70 Meter hoch. Sehen aus wie eine Gruppe schwarzer Eisberge. Wenn wir sie hinter uns haben, können wir alle ruhiger schlafen.«
    Nicht jeder mag dieses immer etwas verkniffene, vielleicht ja sogar wirklich verschlagene Energiebündel Frank Wild. Einige meinen, Wild würde darunter leiden, nur Shackletons Stellvertreter zu sein, leiden vor allem deshalb, weil er selbst merke, dass ihm im Gegensatz zu Shackleton, der schließlich auch nichts anderes gewesen sei als Scotts dritter Mann, Mut zu eigenen Plänen fehle, ganz zu schweigen vom nötigen Durchsetzungsvermögen. Sogar bei Bakewell, der ansonsten tolerant bis zur Blauäugigkeit ist, kann Wild nicht landen, dessen Art er für zugleich kriecherisch und autoritär hält. Auch weil er kaum größer ist als der kleine Uzbird, heißt Wild »Zwerg Boss« bei den Matrosen, wenn sie unter sich sind. Ein Witz, der die Runde gemacht hat, bevor er Worsley zu Ohren kam und daraufhin vom Bos’n auf den Index gesetzt wurde, lautet: »Weißt du, wieso man Mister Wild nur hört, aber nicht sieht, wenn der Sir ins Fass steigt? Weil er mit oben ist. Er steckt in Shackletons Gesäßtasche und ruft ›Ich bin der Größte!‹.«
    Wobei die »Gesäßtasche« noch die harmlosere Variante des Witzes ist.
    Ich mag Frank Wild. Ich mag ihn nicht nur, weil er mich in seiner zuweilen traurigen Verhärmtheit an meinen Bruder erinnert, sondern vor allem deshalb, weil er abgesehen von Tom Crean der Einzige ist, der, wenn er von Shackleton redet, keine Schnurren erzählt.
    Und nicht einmal Crean wagt es, eine Sichtweise

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