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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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alle betreffende Rechnung nicht stimmt: Ende Januar wird uns keine noch so große bis dahin erreichte Tagesleistung irgendwohin bringen. Das südliche Weddellmeer ist Ende Januar zugefroren.
    Damit bei allem Grund dazu dennoch keine Trübsal aufkommt, teilt Shackleton die Packeiswache in Ein-Stunden-Schichten auf, so dass jeder feiern und seine Portion vom Festtagsschmaus genießen kann. Wir lassen das Königspaar hochleben, stoßen an auf die Kameraden im Krieg und singen. Dann geht über der gewendeten Tischdecke die Speisekarte herum, die ich gemeinsam mit dem Bordspezialisten in lukullischen Dingen, Doktor James A. McIlroy, ersonnen habe und die, wenn ich es recht überlege, das Erste aus meiner Feder ist seit der verunglückten Hymne auf Ennids Hinken:
    Weihnachtsmenü
an Bord von Seiner Majestät unverfrorenem
Expeditionsdampfsegelschiff ENDURANCE Vorspeise
Skilligolee (Hafergrütze) oder
Haschierter Cracker
eingeweichter Schiffszwieback, gesalzen

Hauptgang
serviert an Karotten, Petersilie, Runkelrüben und Zwiebeln
Gebackene Gabelschwanzschwalbe (Schwein) oder
Kaiserpinguin nach Berliner Art (Schwein) oder
Kleines Reh (Ratte)

Dessert
Harter Nagel (Schiffszwieback und Pökelfleisch) oder
Weicher Nagel (Weißbrot und Butter – nur für Offiziere!)
    Das wirkliche Festessen stammt aus Dosen. Es gibt Schildkrötensuppe, Bratfisch, Schmorhase, Weihnachtsplumpudding, gefüllte Pastete und kandierte Früchte. Madame Butterfly, interpretiert von Orde-Lees’ Grammophon, dudelt im Hintergrund ein paarmal auf und ab, bis sie dort vergessen wird, und auch Creans gutgemeinter Vorschlag, ich solle etwas von Cook zum Besten geben, fällt im Blitzgeknalle von Hurleys Fotoapparaten leider auf taube Ohren. Dabei bin ich mir sicher, dass sie alle gebannt zugehört hätten: James Cook auf Tahiti, seine Männer im Liebestaumel angesichts von Inselschönheiten, die im Tausch gegen ihre Hingebungsfreudigkeit nichts weiter verlangen als Nägel. Woraufhin die stolze ENDEAVOUR schon bald auseinander zu fallen droht.
    Meine Packeiswache absolviere ich in der dunklen Stunde zwischen Mitternacht und ein Uhr. Eine ganze Weile stehe ich allein an Deck und horche aufs Eis hinaus. Wenn sich im Ritz Uzbirds trauriges Banjo eine Verschnaufpause gönnt und Worsley und Bakewell gerade kein Shanty einfällt, hört man das Ächzen und Jammern der Schollen, und manchmal klingt es wirklich so, als stünde da draußen im nicht endenden Dunkel eine Scheune, in der sich mein Vater wieder so eine kleine Werkstatt eingerichtet hat, wie er sie früher einmal besaß – nur so zum Spaß, für ein bisschen Sägen und Feilen nach Feierabend.
    Clark kommt herauf und stellt sich zu mir. Leicht angetrunken, wie er ist, und mit einem schottischen Akzent, wie ich ihn so gar nicht von ihm kenne, erzählt er von seinen Lieblingstieren im Eis, den Goldschopfpinguinen. Wir gucken in den Weihnachtshimmel, wo überm Sternenband der Wasserschlange der Kanopus strahlt, und Clark sagt, er hoffe, mir einmal eine Kolonie der Goldschopfpinguine zeigen zu können.
    Â»Gleich als ich sie zum ersten Mal sah«, sagt er mit leichtem Lallen, »schien mir ihre Farbgebung alle Fragen zu beantworten, die mich schon immer bewegt haben. Ich meine gar nicht so das Gold dieses komischen Schopfes, an dem man sie schon von weitem erkennt und der aussieht, als hätte sich jeder von ihnen ein Gesteck aus Stroh auf den Kopf gesetzt. Sondern es ist eher das Schwarze und das Weiße ihres Gefieders, dort sind nämlich in Wirklichkeit alle Farben, die man sich vorstellen kann, und bei jedem von ihnen findet man sie in anderer … na, ich weiß nicht, ob du damit etwas anfangen kannst. Mir jedenfalls geht es so.«
    Ich glaube nicht, dass ich verstehe, was Clark mir sagen will, aber weil ich mir nicht sicher bin, sage ich: »Doch, ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
    Und Clark sagt: »Ja. Deshalb habe ich es dir erzählt. Ich kann gut verstehen, dass der Sir dich so gut leiden mag. Du bist was Besonderes. Du fragst dich nicht, was du mehr von einem Pferd weißt, seit man dir beigebracht hat, dass es auf Latein equus heißt.«
    Ein langer, schwerer Satz, doch er bekommt ihn hin.
    Â»Danke, Clark.«
    Â»Jedenfalls hoffe ich, dass wir überhaupt die Chance bekommen, uns zusammen mal so eine Kolonie anzuschauen. Da fällt mir ein … die

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